Das dritte wäre dann der BürgerInnen-Beteiligungsprozess, der sich wiederum aus zwei Teilen zusammensetzt: Zum einen entwickeln die Menschen Kriterien für das Gemeinwohl-Produkt, damit klar ist, was die wichtigsten Aspekte für Gemeinwohl in der Augsburger Bevölkerung sind. Zum anderen klären sie wie oben beschrieben die 20 Grundbausteine der Wirtschaftsordnung, sie sind der Beginn einer demokratischen Wirtschaftsverfassung.
Ein weiteres Element wäre das ethische Finanzsystem, zum Beispiel die bewusste Ansiedlung der Bank für Gemeinwohl. In Augsburg ist es vielleicht noch einfacher, die Sparkassen oder Genossenschaftsbanken dazu anzureizen, eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen. Denn die schlägt sich ja dann wieder in der Gemeinwohl-Bilanz der Kommunen nieder, mit welchen Banken sie Geschäfte machen. Wenn eine Kommune also eine Sparkasse oder Genossenschaftsbank motiviert, eine Gemeinwohlbank zu werden und dann mit dieser zusammenarbeitet, ist das ein doppelt positiver Effekt.
Ich komme noch einmal auf die 20 Schlüsselfragen zurück, die von den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt werden. Wer würde in diesen Ausschüssen sitzen?
Christian Felber: Das ist die Gretchenfrage und wir haben bisher vier verschiedene Varianten entwickelt, wie die Zusammensetzung des Konvents sein könnte und sind offen, dass es noch bessere Verfahren geben kann. 1. Wer kommt, ist da – das halten wir für die mit Abstand schlechteste Möglichkeit. 2. Alle Menschen können kandidieren, die Unterschriften von mindestens einem Promille oder Prozent der Kommunalbevölkerung sammeln. 3. Alle Vereine, die eine Mitgliedschaft von mindestens ein oder drei oder fünf Prozent der Kommunalbevölkerung haben, können einen oder zwei Delegierte entsenden – das ist höchst repräsentativ. Und die vierte Möglichkeit: Zufallsprinzip. Weil es sich bewährt hat. Weil das in den USA und in europäischen Ländern schon praktiziert wurde, mit sehr guten Ergebnissen.
Ein Konvent setzt sich aus vielleicht 50 bis 100 Personenzusammen. Die Frage ist: Was ist eine sinnvolle Struktur, wenn man 20 Grundsatzfragen klärt. Wenn man zum Beispiel 20 Arbeitsgruppen mit drei Personen besetzt, hätte das Konvent 60 Mitglieder, bei vier Personen wären es 80 – also zwischen 50 und 100 wäre vermutlich die optimale Größe, unabhängig von der Größe der Kommunen.
In einer Kommune gibt es ja eine Vielzahl von Interessen. Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie ermitteln Sie Lösungen?
Christian Felber: Mit einem Verfahren, dem „systemischen Konsensieren“. Es werden immer mindestens zwei Alternativen angeboten. Einmal der Zustand, wie er jetzt ist und dann mindestens eine weitere Alternative: Es können aber auch drei, vier, fünf Alternativen angeboten werden. Und dann wird nicht die Zustimmung, sondern der Widerstand gemessen, gegen jeden einzelnen Vorschlag. Es gewinnt der Vorschlag, der den geringsten Widerstand hervorruft. Das ist ein hoch intelligentes und effektives Verfahren, das von zwei Mathematikern der Universität Graz entwickelt wurde und das wir mit Leidenschaft und höchster Zufriedenheit selbst anwenden.
Die Philosophie dahinter lautet: Jede Regel, auch die Entscheidung, dass ein Zustand nicht reguliert werden soll, schränkt die Freiheit von manchen Mitgliedern des demokratischen Gemeinwesens ein und löst dadurch einen gewissen Schmerz aus.