Fahrradstadt Augsburg?

Die Stadt wird immer voller und am Straßenrand wird es eng. Laut Umweltbundesamt vom März 2022 wird ein privater Pkw durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt. Somit steht das Auto meist mehr als 23 Stunden am Tag ungenutzt herum und blockiert wertvolle Flächen.
Freunde von mir, eine Familie mit zwei Kindern im Kindergartenalter, besitzen seit eineinhalb Jahren kein Auto mehr. Sie leben in der Stadtmitte mit Fahrrädern ohne Akku und einem elektrogestützten Lastenfahrrad. »Wo parkt ihr euer Lastenrad in der Stadt?«, möchte ich wissen. »Wir parken auf den ausgewiesenen Fahrrad-Abstellplätzen«, meint meine Freundin, »sollte dort mal kein Platz sein, wäre es aber auch kein Problem, das Fahrrad auf einem Kfz-Parkplatz stehen zu lassen. Das ist erlaubt, wenn man sein Fahrrad ordentlich abstellt.« Blockiert man mit einem einzelnen Fahrrad einen Pkw-Parkplatz, kann dies vorschriftswidrig sein und ein Verwarngeld einbringen, liest man auf www.bussgeldkatalog.org/fahrrad-parken.
»Und was transportiert ihr so?«, frage ich weiter. »Kind und Kegel. Einfach alles. Geht nicht gibt es nicht«, sagt der Familienvater aus tiefster Überzeugung.
"Wir stellen immer wieder fest, dass man im Stadtgebiet mitsamt seiner Ladung eindeutig und erheblich schneller vorankommt als mit einem Auto."
Familienvater mit Lastenrad
Was sich die Familie in ihrer Stadt verkehrstechnisch am meisten wünschen würde? Nicht nur optisch auf der Fahrbahn gekennzeichnete Fahrradwege, sondern klar getrennte Wege für die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer. »So, wie wir es machen, wird es nicht mehr weitergehen«, da sind sich die Eltern einig.
So wird die Mobilitätswende in Augsburg angeschubst
Wenn wir, wie schon erwähnt, das Auto so selten benutzen, dann ist die Lösung auch nicht, dass alle ein Lastenrad kaufen, das auch nur eine Stunde genutzt wird. Am besten wäre es also, ein Transportrad zur Hand zu haben, ohne selbst eines besitzen zu müssen. Lastenrad-Sharing ist das neue Zauberwort. Neu? Nicht ganz. Viele deutsche Städte haben es längst vorgemacht. Laut der Website von Cargobike.jetzt gibt es bundesweit aktuell 165 Kommunen mit 208 Lastenrad-Sharing-Angeboten.
Mobiltätswende durch SWA-Leihräder
Die Mobilitätswende in der Stadt Augsburg anschieben – auch das ist nicht ganz neu. Bemühungen gibt es schon länger und von den unterschiedlichsten Seiten. Die Stadt Augsburg möchte das Bike-Sharing der Stadtwerke Augsburg (SWA) bis 2024 deutlich ausweiten. Aktuell stehen 500 Leihräder der Firma Next Bike an etwa 100 Stellen in der Stadt, vor allem als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. Das Leihverfahren sieht vor, dass das Rad an jeder Station zurückgegeben werden kann, egal, an welchem der Stationen das Rad angemietet wurde.
Leih-Lastenräder Lech Elephant
Bezüglich der Leih-Lastenfahrräder gibt es für die Augsburger*innen das Projekt »Lech Elephant«. Elf Stationen im Stadtgebiet. elf Lastenräder, die 24/7 per App gebucht werden können. Aktuell kann man das Fahrrad dort zurückgeben, wo man es angemietet hat. Die Liste der Standorte findet sich auf www.lech-elephant.de.
Ich spreche mit Sven Külpmann, Geschäftsführer von Elephant Cargo, der Lastenradfiliale des Dynamo-Fahrradladens. Elephant Cargo beschäftigt sich seit 2018 mit dem Thema Leihlastenrad und konnte daher auch sofort ein Konzept vorlegen, als die Stadt Augsburg den Betrieb des Mietradsystems ausschrieb. Schon bei der Eröffnung des Spezialladens 2021 war die Vermietung von Lastenrädern angedacht und man begrüßte die Initiative der Stadt Augsburg. Das Projekt läuft unter dem Dach der Lokalen Agenda 21 in Kooperation mit der Stadt Augsburg und über die der (Beteiligungs-)Plattform für Klimathemen Blue City. Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr fördert einen Großteil der Investitionskosten.
Der Preis pro Lastenrad liegt zwischen 10 Ct, bei einer Mietdauer von maximal 10 Minuten und 53 € bis drei Tage. »Wie läuft das Anmieten eines Lastenrads?«, will ich wissen. Ich habe mir vorab schon die zugehörige App auf mein Handy geladen. »Die Donkey App sei mit ihrer Verleihsoftware der ideale Partner bei der Buchungsabwicklung«, versichert Külpmann. Ganz rund läuft es bei mir allerdings noch nicht. Das hat aber vermutlich mit der Verschlüsselung meiner E-Mail-Adresse durch meine Apple-ID zu tun, über die ich mich angemeldet habe. Wir verlassen den Laden und steuern die nächstgelegene Mietstation in der Bäckergasse an. An jedem Standort ist eine Kette an den Mast montiert. Am Lenker schaltet man das Fahrrad ein und per App öffnet man das Fahrradschloss. »Kann ich davon ausgehen, dass der Akku beim Anmieten geladen ist?«, frage ich. »Wir haben Stationspartner, die stetig Funktionschecks durchführen. Die sind auch mit Ersatzakkus und Ladegeräten ausgestattet«, so Külpmann.
Eine Frage der Energieeffizienz
Auf die Nachfrage, ob sich so ein Gefährt auch ohne Strom fahren lässt und nach dem Strombedarf der Akkus meint Sven Külpmann: »Ohne Unterstützung fährt es sich eher beschwerlich.« Auf die Frage nach der Reichweite meint er: »Seien wir mal ehrlich, wie viele Kilometer fahren wir denn in der Stadt? So ein Lastenbike wiegt etwa 50 kg.
Ein E-Bike ist die effizienteste Art, für Transporte Strom zu nutzen.
Sven Küpmann, Elephant Cargo
»Je nachdem, wie schwer die Last inklusive Fahrer*innen ist, welche Temperaturen herrschen, wie viel Fahrunterstützung man abruft und ob starke Steigungen oder Neigungen auf der Strecke liegen, ist die durchschnittliche Reichweite der Räder etwa 40 km. Es reicht also locker für die täglichen Touren.«
Im Moment stehen für die 140 Quadratkilometer der Stadt elf Lastenräder zur Verfügung. »Der Einstieg mit einer überschaubaren Menge an Rädern ist eine solide Lösung«, findet Külpmann. »Ziel ist es, vom Innenraum nach außen zu wachsen.« Die Projektlaufzeit wurde auf drei Jahre angesetzt. Ziel aller Beteiligten ist aber, dass das System verstetigt wird. »Was war die größte Herausforderung auf dem langen Weg zum Ziel?«, frage ich, denn schließlich kann ich mir vorstellen, dass die Umsetzung aller Details Zeit und Kräfte zehrt. »Neben all den kleinen und großen Baustellen, die viele Detaillösungen gefordert haben, war die größte Herausforderung sicherlich Corona. Das hat uns um mindestens ein Jahr zurückgeworfen.«
Fahrradstadt Augsburg?
Und wenn die Nachfrage durch die Decke geht und innerhalb kürzester Zeit das Angebot übersteigt? Es gibt Zahlen zur E-Scooter-Ausleihe, die erzählen etwas anderes.
Die Niederlande sind eine Fahrradnation. Dort bewegen sich 45 Prozent der Pendler*innen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Utrecht, 360.000 Einwohner*innen, wurde 2022 zur fahrradfreundlichsten Stadt der Welt gekürt. Dort steht das größte Fahrrad-Parkhaus der Welt mit 12.000 Plätzen. Amsterdam hat vor Kurzem eines gebaut, das größte Parkhaus der Stadt – 7.000 Stellplätze. Und Augsburg? Augsburg kann fünf Fahrradstraßen ausweisen.
Wird es wirklich weniger Staus in den Städten geben, wenn alle mit dem Fahrrad bzw. mit Lastenrädern unterwegs sind? Wird es vielleicht recht chaotisch? Meine Erfahrung ist, dass man auf dem Fahrrad gerne auch mal gegen die Fahrtrichtung fährt, bisweilen über den Randstein hinunter und wieder hinauf, schräg über die Straßenseite oder gar bei Rot über die Ampel, weil die Situation günstig erscheint. Werden wir dann noch immer ohne Führerschein und Parkkosten für das Fahrrad auskommen? Wir sollten es unbedingt ausprobieren!
Der Artikel erschien am 07. Mai 2023 auf https://www.a3kultur.de/positionen/fahrradstadt-augsburg
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