Urban Gardening

Urban Gardening in Augsburg

Urban Gardening liegt voll im Trend. Immer mehr Städte in Deutschland integrieren gemeinschaftliche Grünflächen inmitten von Hochhauskomplexen – so auch in Augsburg.
Grow up, Urban Gardening, Interkulturelle Gärten, Augsburg, Foto: Cynthia Matuszewski

Urban Gardening liegt voll im Trend. Immer mehr Städte in Deutschland integrieren gemeinschaftliche Grünflächen inmitten von Hochhauskomplexen – so auch in Augsburg. Die Intentionen dabei sind unterschiedlich, jedoch gilt der Aspekt der Unabhängigkeit als einer der größten Anreize.

 

Erste Gemeinschaftsgärten gab es schon in den 40ern

 

Die Idee von urbanen Gartenanlagen ist kein neues Phänomen. Bereits in den 1940er Jahren erfreuten sich Gemeinschaftsgärten in den USA oder auch auf Kuba großer Beliebtheit. Die ersten urbanen Gärten entstanden in Columbus, Ohio. Das Gefühl der Unabhängigkeit spornte viele Familien an, in der Stadt einen eigenen Garten zu bewirtschaften. Das ist auch heute noch der Anreiz, auch wenn vielleicht nicht der komplette Lebensmittelbedarf aus dem eigenen Garten gedeckt werden kann. Seit etwa zehn Jahren gibt es auch in Deutschland Projekte, die das gemeinschaftliche Gärtnern auf freien Flächen inmitten der Stadt umsetzen: Eines der ersten war der Prinzessinnengarten in Berlin 2009.

 

Auch in Augsburg gibt es mittlerweile eine große Anzahl an urbanen Gartenprojekten, die von Menschen aller Altersklassen und Herkunft betrieben werden und in denen man ein bisschen Gartenfeeling erleben kann. Um dieses bunte Potpourri unter einen Hut zu kriegen, hat die gartenbegeisterte Künstlerin Tine Klink 2015 den Arbeitskreis Urbane Gärten Augsburg gegründet, der Mitglied im Prozess der Lokalen Agenda 21 der Stadt Augsburg ist.

 

Garten-Feeling in der Stadt erleben

 

Im AK Urbane Gärten sind viele Projekte vereint: Vom Gemeinschaftsgarten über Nachbarschaftsgärten, bis hin zu Hochbeet-Anlagen ist für jeden Gartenfreund etwas dabei. Eine feste Stütze des Arbeitskreises ist Tine Klink. Sie ist selbst ein großer Garten-Fan mit eigenem Schrebergarten. Daneben arbeitet sie hoch motiviert bei vielen Augsburger Gartenprojekten mit. Sie ist die Hauptansprechpartnerin für die Stadt Augsburg in Sachen Urban Gardening: Wird eine Grünfläche freigestellt, ist Tine Klinks kreativer Kopf gefragt. So hat sie schon das ein oder andere Projekt in Augsburg in die Wege geleitet. Für ihr ehrenamtliches Engagement wurde ihr bereits die Silberdiestel verliehen, ein handgeschmiedeter Preis der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

 

Eines der bekanntesten Urban-Gardening-Projekte ist der Interkulturelle Garten Grow-Up in Kriegshaber. Dieses Gartenprojekt gewann 2016 den Zukunftspreis der Stadt Augsburg und ist ein Beispiel für den hohen Stellenwert den Gartenprojekte in Augsburg haben. Hier können sich Gartenfreund*innen und alle anderen treffen, die Spaß an der Natur haben. Dafür muss man gar keinen grünen Daumen haben, das Miteinander ist ebenfalls sehr wichtig. Auch die Augsburger CityFarm und die Hochbeetanlagen des Sozialkaufhauses Contact sind Projekte des AK Urbane Gärten.

 

"Einfach an der frischen Luft sein, die Hände in der Erde vergraben und sich dabei auch ruhig ein bisschen schmutzig machen. Das ist gut für die Gesundheit und macht einfach gute Laune.“

 

Tine Klink, Künstlerin und Gärtnerin

 

Gemeinschaftsgärten als Orte der Zusammenkunft

 

Der soziale Aspekt ist für Tine Klink bei allen Gartenprojekten von großer Bedeutung: „Es soll nicht nur um Gartenarbeit gehen, auch Leute die keinen grünen Daumen haben sollen sich wohl fühlen.“ Deswegen finden häufig spezielle Aktionen in den Gärten statt wie das Frühlingsfest oder gemeinsam Mondfinsternis im Garten erleben.

 

 

"Die soziale Interaktion zwischen Menschen verschiedener Nationen funktioniert bei so praktischen Dingen wie der Gartenarbeit wie von alleine. Daher funktioniert die Integration bei diesen Projekten besonders gut, wie das Beispiel einer syrischen Familie bei Grow-Up zeigt.“

 

Tine Klink, Künstlerin, Gärtnerin

Um die Gärten nachhaltig zu gestalten gehört auch viel Aufklärungsarbeit dazu. So gibt es Tipps, welches Saatgut bedenkenlos gekauft werden kann, welche Sachen sich kompostieren lassen und wie man überhaupt Setzlinge pflanzt. Natürlich erfordert dies viel Zeit und Mühe, aber so bekommt jeder die Möglichkeit, an solchen Nachhaltigkeitsprojekten mitzuwirken.

 

Bessere Luft durch städtisches Gärtnern

 

Neben den Aspekten Selbstversorgung und soziale Zusammenkünfte, bieten urbane Gärten auch ökologische Vorteile. Sie können helfen die Luftqualität zu verbessern und die Artenvielfalt zu erhöhen. Allerdings sind nicht alle Gärten gut mit dem ÖPNV zu erreichen und nicht alle Gartenfreunde sind in der Lage, weitere Strecken mit dem Fahrrad zu fahren. Deswegen wäre es optimal, wenn es in jedem Stadtviertel mehrere Gartenprojekte gibt.

"Wenn die Leute mit dem schadstofferzeugenden Auto zu den Gärten fahren, macht das umwelttechnisch allerdings wenig Sinn."

 

Gärtnerin Tine Klink

Daher ist Tine Klinks großer Wunsch, dass es in jedem Augsburger Stadtviertel urbane Gartenanlagen gibt. Bis jetzt ist dies aber hauptsächlich im Nordwesten der Stadt, also in Pfersee, Kriegshaber und Oberhausen der Fall. Neu ist in diesem Jahr ist privat gepachtete Fläche in der Südtiroler Straße, sodass erstmals auch östlich des Lechs die Menschen etwas anbauen können. In Lechhausen sind Flächen jedoch rar.

 

Vision Dachgarten - eine Lösung für Gärtnern in der Stadt

 

Platz für Gärten ist allgemein gerade in den Städten ein großes Problem. Daher entwickelte die Architektin Sabine Pfister, die Idee eines Dachgartens: Der Gemeinschaftsgarten in luftiger Höhe auf dem Dach des Schwabencenters ist ihre Vision für ein grüneres Augsburg. Mit dem „Wohnzimmer“ gibt es in der Ladenpassage bereits einen Ort der Zusammenkunft inmitten der Geschäfte. Nun will die Gründerin des Agendaforums „Lebensraum Schwabencenter“ mit dem Dachgarten ein neues Gemeinschaftsprojekt starten. Die Entscheidung liegt bei den Eigentümer*innen der Wohnungen. Sie sind momentan noch zurückhaltend.

"Viele Eigentümer wollen keinen Gemeinschaftsgarten. Sie haben Angst, dass die Verantwortung für die Sauberkeit und die Pflege der Gartenanlage an Ihnen hängen bleibt.“

 

Sabine Pfister, Architektin

 

Eigene Radieschen auf dem Dach

 

Die Vision von Sabine Pfister sieht vor, das auf dem Dach ein Gemeinschaftsgarten entsteht, in dem sich die Bewohner hin und wieder treffen können – ähnlich wie in dem bereits etablierten Wohnzimmer einige Stockwerke tiefer. Der Garten soll für die Anwohner*innen ein Ort der Entspannung sein, wo man ein wenig die Natur inmitten des städtischen Lebens genießen kann. Für Bewohner*innen mit einem grünen Daumen könnten einige Hochbeete angelegt werden, in denen Radieschen, Karotten oder ähnliches angebaut werden. Durch das Prinzip des Gemeinschaftsgartens wäre es auch möglich, sich gegenseitig bei der Gartenarbeit zu unterstützen. Ist man einmal krank oder verreist gibt es Nachbarn, die sich um die Pflänzchen kümmern können. Dieses Prinzip beruht auf Gegenseitigkeit und kann ganz neue soziale Beziehungen und Freundschaften entstehen lassen.

 

Ein Dachgarten ist auch mit dem Rollstuhl bequem zu bewirtschaften

 

Auch das Prinzip der Barrierefreiheit würde sich in solch einem Projekt gut umsetzen lassen. Viele Bewohner*innen des Schwabencenters sind ältere Leute, die nur umständlich in den Siebentischwald oder in eine Kleingartenanlage gelangen können. Durch die Aufzüge im Schwabencenter können sogar Rollstuhlfahrer*innen aufs Dach gelangen und müssen nicht erst überlegen, wie sie zu ihrem Garten kommen.

Ein Gemeinschaftsgarten auf dem Dach des Schwabencenters würde den Hochhauskomplex aufwerten, der nicht gerade für seine Schönheit bekannt ist. Im jetzigen Zustand erwecken die Dächer, von ein paar wildgewachsenen Moosen und Flechten abgesehen, eher einen tristen Eindruck – und das obwohl ein Teil des Daches früher als Spielplatz genutzt wurde. Dort oben ist eine Menge Platz, jedoch macht die Fläche derzeit eher einen verwahrlosten Eindruck. „Niemand fühlt sich wirklich dafür verantwortlich, wie es dort oben aussieht“, so Pfister. Die wenigsten Bewohner des Schwabencenters nutzen diese Fläche – was auffällt sind zwei Stühle und ein Tisch auf dem ein Aschenbecher steht.

 

Im Pilotprojekt Erfahrungen sammeln

 

Obwohl solch ein Gemeinschaftsgarten viele Vorteile bieten würde, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Um den Bewohner*innen ihre Ängste und Bedenken zu nehmen wird versucht, ein Pilotprojekt zu starten. Circa zwei Jahre lang könnte es auf dem Schwabencenter eine Art Gemeinschaftsgarten geben. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit stellt Fördergelder für die Einrichtung und Pflege zur Verfügung.

Ob das die Meinung der Bewohner*innen ändern wird, ist schwer zu sagen. Es wäre für Augsburg jedoch ein Pilotprojekt, das über die Grenzen der Stadt strahlen würde. Und es würde noch mehr Menschen in Augsburg die Möglichkeit geben, ein bisschen Gartenluft zu schnuppern. Daher wäre es schön, wenn solche Gartenprojekte weiterhin tatkräftig unterstützt werden: Als Belohnung gibt es vielleicht das ein oder andere Pflänzchen und nebenbei noch zwischenmenschliche Erlebnisse mit Feelgood-Garantie.

 

Über Tine Klink: Tine Klink ist freiberuflich tätig und begeistert mit ihren Programmen wie „bunt und draußen“ oder dem Kreativraum Pfersee immer wieder Natur- und Gartenfreunde. Sie beschäftigt sich mit der Kunstform Landart und ist Gründungsmitglied im AK Urbane Gärten Augsburg.

 

Über Sabine Pfister: Sabine Pfister ist Architektin und Sicherheitsingenieurin und engagiert sich über die lokale Agenda 21 für ein nachhaltiges Leben in und um Augsburg. Sie wohnt und arbeitet seit 30 Jahren im Herrenbachviertel in Augsburg.

 

 

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Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren?

Dieser Artikel entstand im Rahmen des ersten Lifeguide-Seminares an der Universität Augsburg, das unsere Redakteurinnen Cynthia Matuszewski und Sylvia Schaab im Wintersemester 2017/ 2018 im Fachbereich Geographie anboten.

Die Kernfrage lautete: Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren? Indem sie so oft wie möglich miteinander sprechen und sich austauschen. Indem also beispielsweise junge Wissenschaftler*innen in allgemein verständlicher Sprache von ihren Forschungsprojekten, ihren Forschungsfragen oder ihren Zukunftsmodellen berichten. Im Laufe des Seminars wurde über Verständlichkeit gesprochen, über Recherche, Gegenrecherche, Überschriften, Teaser, Fotos und vieles mehr. „Das war eine inspirierende Zeit für uns von der Lifeguide-Redaktion mit sehr engagierten Studentinnen und Studenten des Fachbereichs Geographie. Es hat Spaß gemacht,  mit ihnen in einer Uni-Redaktion zusammenzuarbeiten!“, berichten Cynthia Matuszewski und Sylvia Schaab. Am Ende dieser vielversprechenden Zusammenarbeit lagen dem Lifeguide  insgesamt 11 neue Artikel vor.

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