Kultur & Bildung

Unterricht in Bewegung

Am Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf gehören offene Lernlandschaften zum Konzept. Warum da mehr hängen bleibt und die Sozialkompetenz gefördert wird.
Schmuttertal Gymnasium: Lernen in offenen Lernlandschaften. Foto: Schmuttertal Gymnasium, Thomas Hafner

Keine Türen zu den einzelnen Klassenzimmern mehr! Das war vor einigen Jahren das Schlagwort, wenn vom Neubau des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf die Rede war. Heute wird an dem Gymnasium so oft wie möglich eigenverantwortlich und in kleinen Gruppen gelernt. Offene Lernlandschaften fördern das pädagogische Konzept, für das sich die Schulgemeinschaft gemeinsam mit dem Träger, dem Landkreis Augsburg, entschieden hat. Es gibt aber auch noch den klassischen Frontalunterricht. War der offene Unterricht vor wenigen Jahren fast noch experimentell, hat er inzwischen sogar im neuen Lehrplan Einzug gehalten.

 

Und so funktioniert's: In einer siebten Klasse steht für den folgenden Tag ein kleiner schriftlicher Leistungsnachweis an. Schulleiter Günter Manhardt unterteilt die Doppelstunde in einzelne Abschnitte. Zunächst setzen sich die Kinder in Kleingruppen zusammen und lösen gemeinsam Wiederholungsaufgaben. Wer etwas nicht versteht, kann entweder seine Kameraden fragen, oder er hebt ganz klassisch den Finger. Der Lehrer kann so auf einzelne Probleme in Ruhe eingehen. "Das funktioniert besser, als wenn man nach vorne an die Tafel kommen muss", meint Lisa.

 

"Es ist einfach lässiger, so zu lernen." Simon, siebte Klasse

Anschließend bietet der Mathelehrer verschiedene Workshops an, in denen er spezielle, immer wieder auftauchende Fragen noch einmal erklärt. Hier kann teilnehmen, wer etwas noch nicht verstanden hat, die anderen Kinder rechnen ihre Aufgaben weiter. "Es ist einfach lässiger, so zu lernen", findet Simon. Und es bietet sowohl für schwächere als auch lernstarke Kinder Vorteile: Die einen finden ausreichend Material und Anregung zum Wiederholen des Stoffs. Die anderen, die mit ihren Aufgaben bereits fertig sind, können sich bereits in der Schule ihren Hausaufgaben zuwenden. Das klappt allerdings nur, weil die vor eineinhalb Jahren bezogene Schule von Anfang an für offene Lernlandschaften konzipiert war. Nach Beginn der Stunde teilen sich die Kinder auf, einige bleiben im Klassenzimmer, andere gehen auf den angrenzenden Campus, den sie sich mit mehreren Klassen teilen.

 

Der Campus ist mit Computerarbeitsplätzen an Theken, aber auch mit Sofas und Sitzsäcken möbliert. Durch die offenen Türen und die vielen Glaselemente hat der Lehrer immer alle im Blick. Und die Kinder bleiben in Bewegung. Das bedeutet auch geistige Beweglichkeit, findet Schulleiter Manhardt. Gerade das kontinuierliche, aktive Arbeiten sei es aber auch, das mehr Aufmerksamkeit erfordere, sagt Schülerin Katharina. Sie ist in der achten Klasse. Dort hat Studienrätin Tanja Winkler verschiedene Lernstationen zu den einzelnen Formen des lateinischen Konjunktivs vorbereitet. Die Jugendlichen können sich davon einige Aufgaben aussuchen und anschließend mit Lösungsschablonen selbst auswerten.

 

"Das kontinuierliche, aktive Arbeiten erfordert mehr Aufmerksamkeit." Katharina, achte Klasse

Was so leicht klingt, bedeutet für die Lehrer viel Arbeit. Lehrer Michael Hartmann sagt: "Es ist schon sehr zeitaufwendig, bis alle Materialien fertig sind." Etwa, wenn er eine fünfte Klasse in Deutsch unterrichtet. Die Schulaufgaben sollen schließlich ähnlich und der Gerechtigkeit halber vergleichbar sein. "Ich musste mich als Lehrer umstellen. Man überdenkt die eigene Art und Weise zu unterrichten", sagt Hartmann. Sein Kollege Christoph Dorn ist Lehrer für Mathe und Sport. Er hat die Erfahrung gemacht, die Schüler seien motivierter, wenn sie auf dem Campus lernen dürfen. Aber Dorn sieht ebenso Nachteile. "Es ist auch mal laut auf dem Campus", berichtet er. Gerade wenn Schüler sich auf Mathe-Aufgaben konzentrieren sollten und gleichzeitig nebenan andere in einer Fremdsprache Übungen machten. Schwierig ist die Campus-Arbeit manchmal auch in der Mittelstufe, in den durch die Pubertät erschütterten Jahren. Deshalb bleibt die Pädagogik am Schmuttertal-Gymnasium in Bewegung. Je nach Situation entscheiden die Lehrer, was im Moment besser ist: offener oder Frontalunterricht. Dann bleiben die Türen auch mal zu.

 

Obwohl sich die Schüler selbst viel aneignen und deshalb mehr Stoff hängen bleibe, seien die Noten nicht anders als an anderen Schulen, berichtet Schulleiter Günter Manhardt. Er sagt: "Wir haben nicht die besseren Schulaufgaben-Schnitte. Aber wir legen auf andere Kompetenzen, wie zum Beispiel Sozialkompetenz, viel Wert." Eine Studie der Universität Augsburg hat die Schule begleitet und über Jahre hinweg wissenschaftlich untersucht, wie das Lebensgefühl der Lehrer und Schüler am Schmuttertal-Gymnasium im Vergleich zu einem „normalen“ Gymnasium ist. Ein Ergebnis: Die hohe Sozialkompetenz ist inzwischen wissenschaftlich belegt.

 

Über die architektonischen Besonderheiten der Plus-Energie-Schule im Schmuttertal schreibt Jana Tallevi in ihrem Lifeguide-Beitrag "Wo Nachhaltigkeit in jeder Wandpanele steckt"

 

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