Spielzeug

Kinderspielzeug - Die Mischung macht’s!

Spielzeug: Worauf muss ich achten, wenn ich gutes Kinderspielzeug kaufe? Welche Siegel sind interessant und was sagen die Profis - nämlich Eltern? Interview mit Stefan Kaindl und Ramona Dorner.
Kinderspielzeug, Foto: Stefan Kaindl

Judith Wecker ist frischgebackene Patentante und fragt: Worauf muss ich achten, wenn ich gutes Kinderspielzeug kaufe? Welche Siegel sind interessant und was sagen die Profis - nämlich Eltern?  Sie recherchierte und fragte Stefan Kaindl, Vater von zwei Töchtern, und Ramona Dorner mit einem dreijährigen Sohn. Ihre Recherche:

 

Als Studentin hatte ich bisher wenig mit Kindern zu tun. Doch mit der neuen Aufgabe als Patentante der einjährigen Mia kam auch die Verpflichtung, meinen Schützling ein Leben lang zu begleiten und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Vor Festtagen wie Weihnachten, Ostern oder dem ersten Geburtstag machte ich mir zum ersten Mal ernsthafte Gedanken über ein Geschenk. Worüber würde sich die Kleine am meisten freuen?

 

Also habe ich mich aufgemacht in die Stadt, auf der Suche nach einem passenden Geschenk. Nachdem ich dann einige Spielwarengeschäfte durchstöbert hatte, war ich ehrlich gesagt schon sehr überfordert. Ich wurde von einer Flutwelle an Plastikprodukten und der Masse an Spielzeug überrollt. Das Angebot reichte von multifunktionalen Plastiklaufwägen mit digitalem Lernbuch, über knallbunte Zeichentablets mit verschiedensten Knöpfen und Schiebern, bis hin zu allerhand Barbiepuppen und Bauklötzchen. Beim Anblick der Plastikmassen stellte sich bei mir sofort ein unwohles Gefühl ein. Einerseits, weil ich der Umwelt damit keinen Gefallen tun würde und andererseits wusste ich, dass in Plastik oft Weichmacher und einige Schwermetalle enthalten sind, welche über den Mund leicht aufgenommen werden können. Und dabei besteht natürlich die Gefahr, dass sich dies auf die Gesundheit der Kinder auswirken könnte. Deshalb verließ ich die Läden und nahm mir vor, mir erst einmal in Ruhe Gedanken zu machen.

 

Die wichtigsten Gütesiegel und Zeichen

Eine erste Hilfe bei der Orientierung im "Spielwaren-Dschungel" sind Siegel, die Schadstoffe, Haltbarkeit oder Umweltverträglichkeit testen. Andere Plaketten informieren über pädagogische Konzepte oder Arbeitsbedingungen bei der Herstellung.

Das bekannteste Zeichen in Bezug auf die Sicherheit, ist wohl das CE-Zeichen, das ich hier bewusst nicht abgebildet habe. Denn dieses Zeichen steht zwar offiziell für die Einhaltung der europäischen Normen und Vorschriften, ist aber keine externe Zertifizierung. Der Hersteller bringt es selbst an. Das führte in der Vergangenheit des Öfteren dazu, dass der Schadstoffgehalt weit über den gesetzlichen Grenzwerten lag. Folgende Siegel sind aussagekräftiger:

  • Das GS-Zeichen steht für eine geprüfte Sicherheit. Das heißt, dass die gesetzlichen Anforderungen durch dieses Zeichen hinsichtlich der Sicherheit und der Schadstoffe eingehalten wurden.
  • Das TÜV-Proof-Zeichen: Ein Produkt mit diesem Zeichen entspricht den Normen der EU-Spielzeugrichtlinie und hat außerdem den TÜV-Test auf Schadstoffe bestanden.
  • Das LGA-Qualitätszertifikat: Hier werden Sicherheitsprüfungen nach mehreren Standards vorgenommen. Dazu gehören die EU-Richtlinie, das Lebensmittel- und Bedarfsgesetz und die in den USA entwickelten ASTM-Standards. Die Spielwaren werden unter anderem auf Belastbarkeit, Entflammbarkeit, Schadstoffgehalt und Reinigungsfähigkeit geprüft.
  • Bei Textil-Spielzeugen empfiehlt es sich, mindestens auf Öko-Tex-Siegel, besser aber auf GOTS– oder IVN-Siegel zu achten. Die beiden letzten Siegel sind strenger.
  • Bei Holzspielzeug sollte das Holz aus heimischer Forstwirtschaft stammen oder FSC®-zertifiziert und unlackiert oder mit schadstofffreien Farben überzogen sein.
  • Der rote „fair spielt“ Teddy steht für menschenwürdige Bedingungen bei der Produktion und damit für faire Arbeitsbedingungen.
  • Spiel gut: Dieses Siegel erhalten nur Spielwaren mit pädagogischem Wert. Die Schadstoffe werden nicht geprüft.
Gütesiegel für Kinderspielzeug
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Gütesiegel für Kinderspielzeug

Praxis-Tipps von den Profis - Interview mit Ramona und Stefan

Nach dieser Recherche war ich schon einen guten Schritt weiter. Jetzt fehlten mir nur noch Praxis-Tipps von erfahrenen Profis. Und die erhielt ich von den ambitionierten Eltern Stefan Kaindl und Ramona Dorner.

 

Stefan

Stefan lebt mit seiner Frau Linda und seinen beiden Töchtern in Friedberg bei Augsburg. Nach vielen Jahren in Forschung, Entwicklung und Innovationsberatung ist er nun selbstständig und macht das, was ihn erfüllt und für ihn Sinn macht. Vom Baumhäuser und Spielplätze bauen (www.baum-mit-traum.de), um sich handwerklich auszutoben, bis zu Coaching und Lehre oder Gemeinwohl- und Kreativberatung, um auch sein Hirn beweglich zu halten (www.raum-mit-traum.de). Gerne beherbergt die Familie Gäste aus aller Welt über WWOOF.de, die gegen Kost und Logis mit im Garten und bei einer Vielzahl an Projekten unterstützen.

 

Ramona

Ramona besitzt den ersten unverpackt-Laden in Augsburg: rutaNatur. Ihr Sohn war von Anfang an dabei. Gerade mit Kind fühlt sie sich dazu aufgerufen, ihr Leben bewusst zu gestalten und ihren Anteil für den Erhalt unserer Natur und unserer Umwelt beizutragen. Hier geht’s zum Lifeguide-Interview mit der Ladenbesitzerin Ramona Dorner.

 

Lifeguide: Achtet ihr beim Kauf von Spielsachen auf ökologisch nachhaltige Produkte?

 

Ramona: Bisher habe ich ganz gute Erfahrungen beim Kauf von ökologischem Spielzeug gemacht. Manchmal war ich allerdings schon sehr enttäuscht, dass „grünes Spielzeug“ dann dennoch in Plastik verpackt war.

"Wir kaufen generell sehr wenig Spielsachen und wenn, dann achten wir darauf, dass die Produkte aus natürlichen Materialien bestehen, also plastikfrei sind, zum Beispiel Blecheimerchen für den Garten. Die LEGO-Spielsachen für unsere Kinder kaufen wir deshalb gebraucht oder besitzen noch welches aus meiner Kindheit."

Stefan Kaindl

Foto: Linda Kaindl

"Als kleines Mädchen war ich enttäuscht, als ich statt eines rosa Plastikschloss‘ eine Holzpuppenstube zu Weihnachten bekam."

Ramona Dorner

Ramona Dorner, Inhaberin des Ladens rutaNatur unverpackt in Augsburg. Foto: Cynthia Matuszewski

Habt ihr einen Tipp für Eltern, die einerseits ihre Kinder nicht enttäuschen wollen, aber anderseits kein pinkes Plastikungetüm – oder prinzipiell kein Plastik - in dem Zimmer ihrer Kinder haben wollen?

"Einfach kreativ auf die Wünsche eingehen und mitspielen - mit Fantasie wird ein Tannenzapfen auch zu einem Einhorn;)."

Stefan Kaindl

Ramona: Zum einen denke ich, ist es wichtig, die Kinder von klein auf mit natürlichen Materialien vertraut zu machen, so dass diese ganz gewöhnlich und selbstverständlich sind.

"Buntes Plastikzeug wirkt unglaublich anziehend auf die Kleinen. Zu streng und radikal in Bezug darauf zu reagieren ist vermutlich kontraproduktiv und fördert das Verlangen nach dem „Verbotenen“ noch mehr. Deswegen lassen wir unseren Sohn woanders mit Plastikspielsachen kommentarlos spielen."

Ramona Dorner

Ramona: Wir haben auch nichts dagegen, wenn er wenige langlebige Spielsachen aus Kunststoff zu Hause hat, weil er sie im Idealfall gebraucht geschenkt bekommen hat. Gleichzeitig fördern wir sein Interesse an Spielsachen aus Naturmaterialien, indem wir diese mit ihm oft selbst produzieren. Mein Mann hat zum Beispiel mit ihm gemeinsam schon mehrere Fahrzeuge aus Holz hergestellt. Dann war er direkt am Herstellungsprozess beteiligt und hat noch einen ganz anderen Bezug dazu.

 

Stefan: Ja, ich baue auch viel Spielzeug selbst. Da ist es interessant zu beobachten, wie unsere elterliche Intention war und wie die Kinder es dann nutzen und was sie damit spielen. So wurden zum Beispiel die Resonanzkästen des Xylophons gerne als Versteck oder als Küche verwendet...

 

Wie geht ihr mit Großeltern, Freunden oder anderen wohlmeinenden Menschen um, die euren Kindern etwas schenken, was ihr nicht in deren Kinderzimmer haben möchtet?

"Zu Großeltern und anderen engen Bezugspersonen haben wir schon vorher gesagt, dass wir generell nicht viele (Spiel-)Sachen möchten und wie diese beschaffen sein sollen. Zum Glück halten sie sich meistens daran. Manche denken selbst ähnlich."

Ramona Dorner

Ramona: Wenn dann doch ein „Ausrutscher“ passiert, rede ich nochmals bestimmt, aber geduldig mit denen, die es ja vermutlich nur gut gemeint haben. Außerdem versuche ich sie aufzuklären und zu sensibilisieren. Es kam auch schon vor, dass ich etwas nicht angenommen habe. Oder wir haben ausgemacht, dass ein geschenktes Spielzeug bei den Großeltern bleibt, so dass wir zu Hause nicht zu viel haben und das Kind sich dann immer wieder darauf freuen kann.

 

Stefan: Das passiert einfach und davor kann man sich auch kaum verstecken.

"Puppen, Plüschtiere und Barbies finden immer ihren Weg ins Kinderzimmer..."

Stefan Kaindl

Und versucht ihr auch, die Mengen an Spielzeug zu regulieren?

 

Stefan: Ja, regelmäßig, demnächst wollen wir wieder einen Versuch starten das Spielzeug ein bisschen zu regulieren, da es aktuell wieder zu viel ist.

 

Ramona: Auf jeden Fall! Die Menge – also lieber weniger  - ist in meinen Augen sogar noch etwas wichtiger als das Material der Spielsachen.

 

Welche Tipps könnt ihr anderen Eltern in Bezug auf Einkaufmöglichkeiten in Augsburg und Umgebung geben?

 

Stefan: Da kann ich leider keine Tipps geben, da wir das meiste eben gebraucht kaufen oder ich selbst Spielzeug aus Holz baue.

 

Ramona: In der Latztruhe gibt es eine kleine Auswahl an Spielsachen, die man besten Gewissens empfehlen kann. Das Spielwarengeschäft Holzwurm ist unsere Lieblingsadresse für Spielwaren in Augsburg. Da wir Spielwaren meist gebraucht kaufen, sind wir trotzdem nicht zu oft da. Bücher sind für uns ein wichtiges Thema. Diese leihen wir uns in der Stadtbücherei aus oder kaufen sie neu in verschiedenen Buchgeschäften, wie z.B. bei Rieger & Kranzfelder in der Maxstraße. Auch im Antiquariat Die Eule sind wir schon auf der Suche nach gebrauchten Kinderbüchern fündig geworden.

Ansonsten kaufen wir Spielsachen bevorzugt gebraucht, z.B. über Ebay-Kleinanzeigen oder übernehmen Spielwaren aus dem Bekanntenkreis, die nicht mehr gebraucht werden, weil die Kinder schon zu groß sind. Allerdings bin ich ehrlich gesagt auch da wählerisch.

 

Stichwort andere Eltern: Wie geht ihr mit Alltagssituationen um? Gibt es Situation, wie zum Beispiel Kindergeburtstage, wo ihr euch besonders für eure Überzeugung einsetzt?

"Ich lebe mehr nach der Devise „Vorleben ist besser als predigen“. So werde ich auch oft auf Dinge, die wir anders machen angesprochen und erzähle dann gerne etwas über meine Beweggründe und über die Vorteile, die mit unserer Überzeugung verbunden sind. Viele lassen sich davon anstecken oder überdenken ihre bisherige Einstellung."

Ramona Dorner

"Wir gehen unseren Weg, versuchen ein Vorbild zu sein und zeigen unsere Haltung ohne dogmatisch oder bekehrend zu sein."

Stefan Kaindl

Die Tipps von Ramona und Stefan auf einen Blick:

Praktische Tipps:

  • Weniger ist mehr – öfter mal aussortieren
  • selbst handwerklich tätig werden
  • Fantasie und Kreativität der Kinder anregen und fördern
  • Gebrauchtes Spielzeug kaufen (Second Hand, Flohmarkt, Ebay-Kleinanzeigen)
  • Bücher aus der Bücherei ausleihen
  • Spielzeug bei Großeltern parken
  • mit Bekannten und Freunden Spielsachen tauschen oder leihen  

Auf die Haltung kommt‘s an:

  • Nachhaltigkeit vorleben ist besser als predigen
  • Haltung zeigen und Vorbild sein, ohne dogmatisch zu sein
  • Die Mischung macht‘s

 

Links für euch:

Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren?

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Lifeguide-Seminares an der Universität Augsburg, das unsere Chefredakteurin Cynthia Matuszewski  im Wintersemester 2019/ 2020 im Fachbereich Geographie anbot.

Die Kernfrage lautete: Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren? Indem sie so oft wie möglich miteinander sprechen und sich austauschen. Indem also beispielsweise junge Wissenschaftler*innen in allgemein verständlicher Sprache von ihren Forschungsprojekten, ihren Forschungsfragen oder ihren Zukunftsmodellen berichten. Im Laufe des Seminars wurde über Verständlichkeit gesprochen, über Recherche, Gegenrecherche, Überschriften, Teaser, Fotos und vieles mehr. Am Ende dieser vielversprechenden Zusammenarbeit lagen dem Lifeguide mehrere Interviews und Artikel vor. Sie werden im Laufe des Jahres 2020 veröffentlicht. Wir freuen uns darauf.

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