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Ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen

Interview mit dem Chemiker Professor Armin Reller über seine Faszination für die Ressourcen unserer Erde
Prof. Dr. Armin Reller (Bild: Nikky Maier)

Hinter alltäglichen Handlungen, wie Kochen oder Kleiderfärbern, stecken chemische Prozesse, die wir hinnehmen, ohne viel darüber nachzudenken. Die Chemie befasst sich mit diesen Stoffen, sowie deren Eigenschaften und Wirkungen auf die Umwelt. Professor Armin Reller ist Chemiker und interessiert sich nicht nur für die elementare Ebene eines Stoffes, sondern auch für deren Geschichte. Im Interview mit dem Lifeguide-Partner Ahochdrei spricht er über seine Faszination für die Ressourcen unserer Erde.

 

Was ist Ihre persönliche Motivation, sich für unsere Ressourcen einzusetzen?

Professor Armin Reller: Mich treiben meine Neugierde und mein Forscherdrang an. Mich interessieren die Geschichten, die hinter einem Stoff stecken – seien es schöne oder auch nicht so schöne. Wichtig dabei ist, die Stoffe nicht isoliert, sondern in die Umweltprozesse eingebettet zu betrachten. Wir leben auf einem Planeten, der einen großen Schatz an stofflichen Ressourcen und Lebewesen bietet- und wir alle stehen in der Verantwortung, diesen Schatz zu hüten. Daher beschäftige ich mich mit diesem wichtigen Thema.

 

Woher kommt diese Faszination?

Professor Armin Reller: Meine Faszination für die Geschichten von Ressourcen kommt aus meiner Kindheit: Frühere Sonntagsspaziergänge mit der Familie führten oftmals an einem Kalkfelsen unterhalb einer Quelle vorbei. Durch die Reaktion der im Wasser gelösten Mineralien mit dem Kohlendioxid aus der Luft wurde dieser Kalkfelsen geschaffen. Als ich später Teile des Felsens unter dem Mikroskop untersucht habe,  bin ich auf schöne und bizarre Kalkkristalle gestoßen, die für das bloße Auge verborgen bleiben.  Entstehungsgeschichten wie die dieses Kalkfelsens sind entscheidend für die Entwicklungen auf unserer Erde. Was mich zusätzlich bewegt, ist die Tatsache, dass wir eigentlich genügend Ressourcen und Energieträger zur Verfügung haben,  jedoch einen Weg eingeschlagen haben, der uns weg von natürlichen Prozessen führt.

Aufbauende Abläufe brauchen viel mehr Zeit als zerstörerische Aktivitäten. Das bedenkt der Mensch bei seinem Handeln nicht. Wenn ja, stellt er fest, dass eine umfassende Betrachtung von Ressourcen immer auch eine Reise durch Raum und Zeit ist.

Sie arbeiten viel mit Studierenden zusammen und bringen ihnen wichtige Strategien zum ressourceneffizienten Handeln bei. Welche „Weisheit“ liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?

Professor Armin Reller: Ich möchte die Studierenden mit meiner Neugier anstecken. Sie sollen mit offenen Augen durch die Welt gehen und  scheinbare Wahrheiten reflektieren und hinterfragen. Durch meine Arbeit mit jungen Menschen möchte ich diese dazu befähigen, zerstörerische Eingriffe in die Umwelt zu mindern, Risiken zu erkennen und lernen verantwortungsbewusst zu handeln. Mündigkeit, Kritikfähigkeit und Entscheidungskompetenz sind daher wichtige Eigenschaften, die ich vermitteln möchte.

Junge Menschen realisieren schnell, dass Ressourcenstrategie direkt mit ihrem eigenen Leben zusammenhängt und sind dann meist hochmotiviert, etwas Positives im eigenen Umfeld zu bewirken.

Was war bisher Ihr größter Erfolg und an welches Ereignis bei Ihrer Tätigkeit denken Sie gerne zurück?

Professor Armin Reller: Die eigenen Erfolge zu bewerten ist schwierig. Eine sehr spannende Tätigkeit war jedoch der Aufbau des Lehrstuhls für Ressourcenstrategie an der Universität Augsburg. Dadurch haben mein Team und ich ein Forschungsfeld eröffnet, das gesellschaftlich relevant und politisch hoch aktuell ist. Dank dem interdisziplinären Ansatz können wir jungen Leuten Ressourcen-Themen näher bringen und gemeinsam mit ihnen spannende Projekte auf die Beine stellen. Außerdem war ich bei der Gründung der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie in Hanau und Alzenau beteiligt und leite dort das Geschäftsfeld Ressourcenstrategie. Auch hier ist es unser Ziel, Ressourcenstrategien zu entwerfen und technische Schritte zu erproben, um einen effizienten Umgang mit Ressourcen, Mineralien und Energieträgern in technisch-industrielle Anwendungen und Verfahren zu implementieren, als auch das Bewusstsein der Konsumenten für einen nachhaltigen Umgang mit den für unsere Existenz so essentiell wichtigen Rohstoffen zu schärfen.

 

Was ist für Sie die größte Herausforderung auf dem Weg in eine ressourceneffiziente Welt?

Professor Armin Reller: Philosophisch gedacht  ist für mich die gerechte und verantwortungsvolle Verteilung der Ressourcen die größte Herausforderung. Um diese zu bewältigen, brauchen wir aus meiner Sicht im Idealfall eine Weltpolitik für Ressourcen. Dadurch könnten ungerechte Verteilungsprozesse ausgemerzt und Zugang zu Bildung und Wissen ermöglicht werden. Das Ziel sollte sein, ein sozio-ökonomisches Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen herzustellen.

 

Sind Sie optimistisch, dass wir den Weg erfolgreich meistern?

Professor Armin Reller: Ich denke, dass manche Schritte von uns schon in die richtige Richtung gehen. Wir haben uns eine technische Welt aufgebaut. Es kann aber durchaus passieren, dass diese sogenannte Technosphäre uns letztlich bedroht. Ein prominentes Beispiel sind die nukleare Energie, aber auch viele weitere technische Errungenschaften, wie Düngereinsatz in der Landwirtschaft oder die rasant voranschreitende Digitalisierung der Dingwelt.

Eine Bewertungsmöglichkeit, zu überprüfen ob wir auf dem richtigen Weg sind, eröffnet sich mit der Frage: Hinterlassen wir ein gutes Erbe, welches der nächsten Generation Gestaltungsspielräume lässt, um eigene Träume zu verwirklichen und neue Lösungswege zu kreieren?

Was wünschen Sie sich dann genau für die nächste Generation?

Professor Armin Reller: Ich wünsche mir für die nächste Generation, dass technische Errungenschaften eine gerechte und friedliche Entwicklung der Menschen ermöglichen und sich der Zielvorgabe sozial gerecht, ökologisch verträglich und ökonomisch sinnvoll als globaler Konsens jenseits nationaler Egoismen etabliert hat. 

 

Was ist Ihr ganz persönlicher Beitrag für einen ressourcenschonenden Umgang mit unserer Umwelt? Was fällt Ihnen dabei leicht und was schwer?

Professor Armin Reller: Ich versuche vor allem durch mein Konsumverhalten etwas Positives zu bewirken. Leicht fallen mir dabei auf jeden Fall Entscheidungen, die nicht ständig anstehen, wie beispielsweise ein Autokauf. Hier kann ich mir in Ruhe überlegen, welche Kriterien mir wichtig sind und was ein Kauf bewirkt. Weniger leicht hingegen fallen mir Alltagsentscheidungen. Hier erwische ich mich immer mal wieder, dass ich Produkte in Plastikverpackungen kaufe oder mich von Schnäppchenangeboten verführen lasse und erst im Nachhinein, wenn überhaupt, die Auswirkungen hinterfrage. Meine Erfahrungen und mein Wissen versuche ich dennoch im Alltag umzusetzen. Bei billigem Fleisch fällt es mir nicht schwer, mich gegen einen Kauf zu entscheiden.

Ein persönlicher Beitrag kann vor allem durch das Konsumverhalten ohne größere Einschränkungen geleistet werden. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Veränderungen durchaus möglich sind;  andererseits werden sie oft als bedrohlich empfunden.

Der persönliche Beitrag besteht vor allem darin zu erkennen,  dass gefühlte Angriffe auf nicht mehr hinterfragte Gewohnheiten das Potential für positive Entwicklungen haben können.

 

Der  Chemiker Prof. Dr. Armin Reller übernahm 1999 den Lehrstuhl für Festkörperchemie der Universität Augsburg und ist seit 2009 Inhaber des Lehrstuhls für Ressourcenstrategie der Universität Augsburg. Zusammen mit Dr. Jens Soentgen ist er Initiator und Herausgeber der Buchreihe“Stoffgeschichten” (https://www.oekom.de/nc/buecher/buchreihen/stoffgeschichten.html) – eine Kooperation des oekom e.V. Verlags (München) und des Wissenschaftszentrums Umwelt WZU der Universität Augsburg, dessen Vorstandssprecher er auch ist. Das Buch „Wir konsumieren uns zu Tode - Warum wir unseren Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen“ (Armin Reller /  Heike Holdinghausen) greift in anschaulicher Weise das Konzept der Stoffgeschichten auf und hinterfrägt unsere Rolle in Bezug auf die uns umgebende Um- und Dingwelt.

 

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