Wirtschaft neu denken
Umweltschutz

Klimapolitik - Die neue Klimaschutzeinschätzung

Andreas Repper von der Klimaschutz-Abteilung der Stadt Augsburg stellt ein neues Instrument innerhalb der bestehenden Nachhaltigkeitseinschätzung für Stadtratsbeschlüsse vor.
Klimaschutz mit verschiedenen Menschen um die Erde

Klimanotstand - ein Weg für mehr Klimaschutz?

Mitte 2019 forderten über 700 Kommunen weltweit mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. In Deutschland riefen an die 80 Kommunen einen Klimanotstand aus - ein Begriff, der polarisierte und - über eine symbolhafte Wirkung hinaus -  die Frage aufwarf, welche praktische Konsequenzen daraus folgen sollen. 


Diskutiert wurde unter anderem ein Klimavorbehalt für kommunale Entscheidungen, also eine Selbstverpflichtung, kommunale Entscheidungen auf ihre Klimawirkung zu prüfen und ggf. auf klimaschädliche Vorhaben zu verzichten. Auch wenn ein solcher Klimavorbehalt weder begrifflich klar definiert noch rechtlich bindend ist, hilft er doch, die Aufgabe Klimaschutz zu stärken.

 

Klimawirkung von Beschlüssen prüfen


Wie eine solche Klimawirkungsprüfung im Groben strukturiert sein kann, zeigte ein Arbeitspapier des Deutschen Städtetags vom Juni 2020: In Stufe 1 ist einzuschätzen, ob von einer Beschlussvorlage überhaupt eine Klimawirkung zu erwarten ist. In Stufe 2 soll die Klimawirkung auf einer insgesamt fünfstufigen Skala (von stark fördernd bis stark hemmend) eingeordnet werden. Als Kriterium für die jeweils „starke“ Ausprägung wurde die von einem typischen Zwei-Personen-Haushalt verursachte Treibhausgas-Menge vorgeschlagen. Offen blieb – und bleibt – woher abseits gut bilanzierbarer Vorhaben die Grundlage für eine zumindest annähernd zahlenmäßige Abschätzung kommen kann.


Augsburg rief seinerzeit keinen Klimanotstand aus: Unter anderem, weil die Nachhaltigkeitseinschätzung für Beschlussvorlagen bereits seit 2012 eine Einschätzung zur Wirkung auf das Ziel Ö1 „Klima schützen“ der Nachhaltigkeitseinschätzung vorsieht. Diese Einschätzung wurde im Herbst 2019 als verbindlich auszufüllen hochgestuft. Das im Januar 2020 beschlossene Klimaschutz-Sofortprogramm des Umweltreferats sah darüber hinaus die Erprobung einer Klimawirkungsprüfung vor, da sie großes Potenzial bietet, die Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz in Stadtverwaltung, Stadtpolitik und in der Stadtgesellschaft insgesamt zu stärken.


Von Herbst 2021 bis Frühjahr 2022 nahmen fünf städtische Dienststellen auf freiwilliger Basis an einer Testphase teil. Grundlage war ein vom Umweltamt erstelltes Formblatt, das Bausteine einer Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Urbanistik und aus dem bundesweiten Förderprojekt „Klimaschutz in öffentlichen Projekten“ aufgriff. In der praktischen Anwendung wurde deutlich, dass eine zahlenorientierte Bearbeitung mit den verfügbaren Tools und Datenquellen nur für wenige Sachverhalte mit überschaubarem Aufwand leistbar ist. 

 

Integration in die schon bestehende Nachhaltigkeitseinschätzung


Beim Ziel Ö1 der Nachhaltigkeitseinschätzung setzt auch die Anfang 2024 eingeführte Klimaschutzeinschätzung (KSE) an: Wo bisher lediglich die Möglichkeit bestand, eine Beschlussvorlage als Ganzes als „förderlich“, „hemmend“ oder „kein Effekt" einzuordnen und zu kommentieren, ermöglichen nun insgesamt 21 Fragen zu den sechs Bereichen Energie, Mobilität, Ressourcenverbrauch, Flächennutzung/CO2-Bindung, Information/Motivation und Grundlagen, klimaschutzrelevante Aspekte zu erkennen. Diese Aspekte sind innerhalb der einzelnen Bereiche in der Reihenfolge Suffizienz - Effizienz - erneuerbare Energien sortiert.


Ziel und Vorteil dieser kleinteiligen Strukturierung: Wer die KSE bearbeitet, erhält klar umrissene Vorschläge für mögliche Klimawirkungen („klimaschutzrelevante Aspekte“) und kann entsprechend zügig und dennoch differenziert auf mögliche Klimawirkungen hinweisen. Das ist wichtig, weil allein aufgrund der Menge, der thematischen Vielfalt und inhaltlichen Tiefe von Beschlussfassungen (der Augsburger Stadtrat fasst etwa 400 Beschlüsse pro Jahr) die KSE nicht von einer Dienststelle zentral durchgeführt wird, sondern durch die verschiedenen zuständigen Dienststellen.


Die Einordnung der Klimawirkung erfolgt derzeit bewusst auf einer lediglich dreistufigen Skala, so dass keine mengenmäßige Abgrenzung von Treibhausgas-Emissionen notwendig ist. In einem Kommentarfeld können Hinweise, Mengenangaben und nicht zuletzt bereits berücksichtigte klimafreundliche Gestaltungsoptionen eingetragen werden.


Unterstützt werden die Bearbeitenden durch ein Erläuterungsblatt, das für die 21 klimaschutzrelevanten Aspekte konkrete Beispiele aufführt. Nach dem ersten Vertrautmachen mit den 21-Punkten ist für die KSE eine Bearbeitungsdauer von fünf bis zehn Minuten veranschlagt. 

Das Formblatt der KSE ist im bekannten Layout der Nachhaltigkeitseinschätzung gestaltet und wird der fertiggestellten Beschlussvorlage als Anhang angefügt.

 

Ein Werkzeug mit Potenzial


Die KSE hat damit großes Potenzial, um die Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz in Stadtverwaltung, Stadtpolitik und in der Stadtgesellschaft insgesamt zu stärken:
 

  • in die Querschnittsaufgabe Klimaschutz einbinden – die KSE erreicht auch städtische Dienststellen, bei denen Klimaschutz oder energiebezogene Themen nicht im Vordergrund stehen
  • zuständige Stellen, Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter für Klimawirkungen und klimafreundliche Gestaltungsoptionen sensibilisieren – besonders wenn es gelingt, die KSE zunehmend früh im Verlauf der Erstellung von Beschlussvorlagen oder zugrundeliegender Projektplanungen zu berücksichtigen
  • Transparenz und Präsenz schaffen – die KSE macht als weiterer Anhang zu Beschlussvorlagen die zahlreichen klimaschutzrelevanten Aspekte und darauf bezogenen Aktivitäten der Stadtverwaltung für Gremienmitglieder und Öffentlichkeit sichtbar
  • Glaubwürdigkeit stärken und durch Vorbildwirkung motivieren – die KSE fördert die Möglichkeit zum offenen Austausch über klimafreundliche Gestaltungsoptionen bis hin zur Diskussion der Notwendigkeit klimaschädlicher Projekte und macht deutlich: die Stadtpolitik stellt sich der Aufgabe „Klimaschutz“ und geht mit guten Beispielen voran

 

Die Evaluation ausgefüllter Klimaschutzeinschätzungen wird zeigen, inwieweit die KSE auch Inputs für Klimaschutzkonzepte wie das Blue City Klimaschutzprogramm oder für die Priorisierung von Maßnahmen liefern kann.  


Auch die KSE kann sich weiterentwickeln, vor allem in Richtung einer stärker zahlenorientierten Bewertung – beispielsweise in Richtung einer stärker zahlenorientierten Abschätzung durch Kennzahlen- und Datenbank-gestützte Tools oder einer stärkeren Orientierung an genutzten / noch nicht genutzten klimafreundlichen Gestaltungsoptionen.
 

 

Andreas Repper, Abteilung Klimaschutz der Stadt Augsburg


 

KONTAKT