Handwerk

Ökobon revolutioniert den Kassenbon

Das Aindlinger Unternehmen Ökobon führte 2015 den ökologischen Kassenbon ein. Interview mit Oliver Unseld, Geschäftsführer von Ökobon.
Oliver Unseld, Birgit Feigl, Ökobon, Aindling, Augsburg, Foto Cynthia Matuszewski

Oliver Unseld übt einen Beruf aus, für den es – wie er selbst sagt – keine detaillierte Berufsbezeichnung gibt und er führte vor fünf Jahren ein Produkt ein, das so keiner kannte: Einen blau-grauen Kassenbon, mit herausragend guten Umwelteigenschaften. Phenolfrei, recyclebar und lichtbeständig. Zusammen mit seiner Lebenspartnerin Birgit Feigl gründete der Unternehmer aus Aindling bei Augsburg das Startup Ökobon. Heute erhält Ökobon Anfragen aus aller Welt.

 

Das Interview führten Tim Binhammer und Cynthia Matuszewski:

 

Klären Sie uns auf, wie genau sieht Ihre Arbeit aus?

Oliver Unseld: Ich berate Händler und installiere und betreue ihre Kassen- und Zahlungssysteme – und das seit über 20 Jahren.

 

Und Ihnen liegt der Umweltschutz am Herzen?

Oliver Unseld: Ja, die Liebe zur Natur und nachhaltiges Leben ist bei mir tief verwurzelt und spiegelt sich auch in meinem Berufsleben wider. Meine Eltern betreiben in Ulm seit den achtziger Jahren die Biobäckerei Kornmühle. Ich bin gelernter Bäckermeister und habe jahrelang in der Bio-Lebensmittelbranche gearbeitet.  

 

Wie kam es zu der Idee „Ökobon?

Oliver Unseld: Ich habe sehr gute Kontakte zur Bio-Branche. 2015 wurde ich auf ein neues, innovatives Produkt aufmerksam gemacht: Ein Papier für Kassenbons, das mit den standardisierten Druckern funktioniert, aber ohne die bisherigen Chemikalien und Farbentwickler auskommt.

 

Die Firma Koehler im Schwarzwald hatte rund zehn Jahre in die Entwicklung dieses neuen, ökologischen Papiers investiert und suchte jemanden, der die Markteinführung und Kundenberatung übernimmt. Denn Koehler produziert zwar das Papier mit dem Namen Blue4est, die Vermarktung regeln dann allerdings Händler wie zum Beispiel Ökobon. Wir waren die ersten auf dem deutschen Markt. Heute liefern wir in alle EU-Anrainerstaaten.

 

Und der Name Ökobon...

Oliver Unseld: Entstand auf der Heimfahrt, nach unserem ersten Gespräch mit der Firma Koehler. Meine Lebenspartnerin Birgit Feigl und ich beschlossen, den Sprung zu wagen und ein Produkt einzuführen, das es so noch nicht gab. Wir wussten nicht, was auf uns zukommt. Der Name entstand aus zwei Begriffsfeldern. Zum einen, dem Kassenzettel und zum anderen dem nachhaltigen Papier. Zusammengeführt entstand Ökobon.

 

Wie unterscheidet sich der Ökobon sich von herkömmlichen Kassenbons?

Oliver Unseld: Der Ökobon ist nicht weiß, er ist blau und grau und sieht für viele auch heute noch ungewohnt aus. Denn man kann dem Papier seine vielen Vorteile nicht ansehen.

 

Nur um ein paar aufzuzählen: Der Ökobon enthält keine chemischen Farbentwickler, er ist also für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen. Ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen Bons aus Thermopapier ist der Ökobon frei von Bisphenol A von Bisphenol S sowie anderen Farbentwicklern. Außerdem ist das verwendete Holz FSC-zertifiziert, das heißt, es stammt aus nachhaltiger Waldwirtschaft. Zudem ist der Ökobon lichtresistent – er kann also dauerhaft archiviert werden. Und für die Händler macht es schon einen merkbaren Unterschied, ob am Ende des Tages zwei Säcke Restmüll mit herkömmlichen Thermo-Bons anfallen, oder ob man die überflüssigen Kassenzettel auch im Altpapier entsorgen kann.

 

Wie funktioniert die technische Umstellung auf Ökopapier?

Oliver Unseld: Sehr gut. Meistens können wir die bestehenden Geräte weiterhin nutzen. Die schwarze Beschriftung liegt beim Ökobon nicht auf dem Papier, sondern ist unter einer feinen Bläschen-Schicht verborgen. Mit einer physikalischen Reaktion werden erst beim Kassieren die schwarzen Zeichen sichtbar. Deshalb müssen manche Drucker an das neue Papier angepasst werden.

 

Und wie reagieren potentielle Kunden, also die Händler?

Oliver Unseld: Bei der Umstellung kommt uns unser Wissensschatz zugute. Ich arbeite seit 20 Jahren in dieser Branche und wir begleiten die Umstellung auf den Ökobon mit großem Engagement und technischem Support. Unsere Kunden verfügen ja bereits über ein Kassensystem mit Thermodrucker für die Bons. Diese bestehenden Geräte müssen normalerweise dann auch nicht ausgetauscht werden.

Wir versuchen sie für den ökologischen Kassenbon zu begeistern, bieten Erprobungsphasen an und suchen gemeinsam nach pragmatischen, individuellen Lösungen, wenn das Drucken nicht auf Anhieb klappt. Inzwischen bieten wir rund 30 verschiedene Artikel an, die sich in Bezug auf Rollengröße, Rollenbreite, Kerndurchmesser und gedruckten Texten auf der Rückseite unterscheiden.

 

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen des Produktes Ökobon im Vergleich zu herkömmlichen Thermopapier?

Oliver Unseld: Die größte Hürde des Ökobon in Konkurrenz zu herkömmlichem Thermopapier ist die höhere Kratzempfindlichkeit. Diese Empfindlichkeit entscheidet beim Kunden am Ende ob er sich für oder gegen das Produkt Ökobon entscheidet.

Und eine weitere Hürde, die sich aber mit der Zeit selbst erledigt, ist der aktuell noch höhere Preis gegenüber normalem Thermopapier. Kassenzettel sind Verbrauchsmaterial. Deshalb versucht man immer das günstigste Produkt zu erhalten. Bei Thermopapier gibt es da eine große Spanne in Preis und Qualität. Wir liegen etwa 10 bis 20 Prozent über dem Preis von phenolfreiem Thermopapier. Also ist an diesem Punkt unsere Überzeugungsarbeit entscheidend.

 

Wie zufrieden sind die Kunden mit dem Ökobon?

Oliver Unseld: Händler, die sich für unser Produkt entschieden haben, sind sehr zufrieden. Aber grundsätzlich gibt es da starke Unterschiede bei den Händlern. Die einen nehmen das Produkt aus Überzeugung, die anderen passen sich dem Druck der Kunden an und zahlen den Mehrpreis, obwohl es ihnen an sich egal ist, was in ihrem Drucker liegt.

 

Anfang 2020 ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das Kassenbons für jeden Artikel vorschreibt, beispielswiese auch für ein einzelnes Brötchen oder eine Currywurst. Bedeutete das einen Zuwachs für den Ökobon?

Oliver Unseld: Ich denke, dass sich - vor allem durch die entstandenen Diskussionen zu dem Thema Thermopapier - der eine oder andere Händler noch einmal Gedanken zu dem Thema macht und auf die nachhaltige Alternative umsteigt. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich geändert und der Fokus der Kunden liegt auch auf dem Kassenbon.

 

Verstärken Ökobons das positive Image eines Händlers?

 
Oliver Unseld: Ja, auf jeden Fall. Vor allem, wenn es gut kommuniziert wird. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Angestellten an der Kasse über die Vorteile des Ökobon Bescheid wissen. Und eventuelle Fragen der Verbraucher beantworten können. Wir bieten den Händlern Flyer an, mit denen sie ihre Endkunden über die Vorteile des Ökobon informieren – oder drucken die Info auf die Rückseite des Bons.

Der Gewinn an Reputation für den Händler ist genial, denn Sie geben Ihren Kunden nach dem Bezahlen noch einmal ein Lächeln mit auf den Weg.

 

Wie steht es um die Erfolgschancen von Ökobon im Raum Augsburg?

Oliver Unseld: Das Produkt wird in allen Unternehmensgrößen angenommen und eingesetzt, dabei kann man immer beobachten, dass es zu einer Clusterbildung kommt. In Städten wie Freiburg oder Hamburg ist das klar zu erkennen, dass es einen Pionier gab, der Ökobon eingeführt hat und dann die Nachbarunternehmen mitgezogen haben. Und in dieses Muster passt auch Augsburg. Es gibt ca. 100 Händler, die das Produkt benutzen. Allerdings spürt man auch, dass sich aktuell einiges bewegt, vor allem durch die geänderte Gesetzgebung. Und es bleib abzuwarten wie viele Händler mit der Zeit noch auf die nachhaltige Alternative Ökobon umsteigen.

 

Wie hat sich die Corona-Krise in Ihrem Unternehmen bemerkbar gemacht?

Oliver Unseld: Die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre war für uns insgesamt sehr positiv – eine Zeit des ökologischen Umdenkens hatte begonnen. Während der Corona-Krise blieben viele Geschäfte und Gastronomiebetriebe monatelang geschlossen. Diesen Rückgang haben wir auch zu spüren bekommen. Aber jetzt beginnt wieder eine Zeit der Hoffnung.

 

Sie befürworten umweltbewusstes Handeln – was konnten Sie in Ihrem eigenen Betrieb umsetzen?

Oliver Unseld: Wir sind konsequent ökologisch aufgestellt: Vom Öko-Strom bis zum Bürobedarf. Bei der Verpackung haben wir so lange recherchiert, bis wir endlich eine Möglichkeit gefunden haben, wie wir unsere Papierrollen ohne Kunststoffverpackungen und Plastikklebebänder versenden können. Mit Hilfe von FCS-zertifizierten Kartons, Nassklebebändern mit Klebstoff aus Kartoffelstärke und Papierfüllmaterial setzen wir das schon jetzt um. Noch funktioniert das nicht für alle unsere Artikel. Aber wir bohren immer so lange, bis wir eine Lösung finden. Weil wir uns für Umweltschutz und Ökologie begeistern!

 

Der Autor: Tim Binnhammer studiert an der Universität Augsburg Geographie. Mit viel Engagement hat er sich am Lifeguide-Uniseminar 'Journalistisches Schreiben' beteiligt und sich für seinen Abschlussartikel aufs Rad geschwungen um bei Ökobon in Aindling Antworten auf seine Fragen zum Umweltschutz in einem regionalen Unternehmen zu erhalten.

                    

Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren?

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Lifeguide-Seminares an der Universität Augsburg, das unsere Chefredakteurin Cynthia Matuszewski im Wintersemester 2019/2020 im Fachbereich Geographie anbot.
Die Kernfrage lautete: Wie können Wissenschaft und Gesellschaft voneinander profitieren? Einmal, indem sie so oft wie möglich miteinander sprechen und sich austauschen. Aber auch indem junge Wissenschaftler*innen in allgemein verständlicher Sprache von ihren Forschungsprojekten, ihren Forschungsfragen oder ihren Zukunftsmodellen berichten. Und lernen, sich einem Thema auf journalistischem Weg zu nähern. Im Laufe des Seminars wurde über Verständlichkeit gesprochen, über Recherche, Gegenrecherche, Überschriften, Teaser, Fotos und vieles mehr. „Das war eine inspirierende Zeit für mich mit sehr engagierten Studentinnen und Studenten. Es hat Spaß gemacht, mit ihnen in einer Uni-Redaktion zusammenzuarbeiten!“, berichtet Cynthia Matuszewski. Am Ende dieser vielversprechenden Zusammenarbeit lagen dem Lifeguide mehrere spannende Artikel vor, wie zum Beispiel über E-Scooternachhaltiges Kinderspielzeug oder das Unternehmen Ökobon. Im Laufe des Jahres 2020 werden sie alle veröffentlicht. Wir danken unseren engagierten Gastautor*innen und freuen uns auf ihre Beiträge!

 

Dieser Artikel erschien auch im Magazin AHOCHDREI 02 / 2020

 

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