Mikroplastik
Plastik ist der wichtigste Werkstoff in unserem Wirtschaftssystem. Das, was ihn so bedeutsam macht, seine lange Haltbarkeit, ist zugleich ein Fluch für die Umwelt: Plastik ist biologisch praktisch nicht abbaubar. Die Teilchen, in denen es in Wasser, Luft und Boden vorkommt, werden allerdings immer kleiner – und gelangen so auch in die Nahrung.
Der Genuss, Meeresküsten, Seeufer oder Stadtstrände zu besuchen, wird sehr häufig durch angeschwemmte Plastiktüten, Getränkeflaschen oder anderem Müll aus Kunststoff getrübt. Doch das, was an den Ufern sichtbar wird, ist nur ein Bruchteil des Problems: Die bunten und transparenten Zeugen unserer Konsumgesellschaft sammeln sich massenhaft am Grund der Gewässer oder in den bekannten, gigantisch großen Plastikstrudeln in den Ozeanen. Im Laufe der Zeit werden sie in immer kleinere Teile zerrieben, in unsichtbare Mikroplastikpartikel, welche in den Gewässern treiben, in die Sedimente absinken, über Verdunstung in die Luft gelangen und sich in den Böden ablagern.
Mikroplastik als Trägermaterial
Plastikteilchen mit einer Größe unter fünf Millimetern kommen aber auch gezielt zum Einsatz, beispielsweise als Trägermaterial in Düngemitteln, als Schleifmittel in der Industrie oder in der Kosmetik. Hier bilden sie das Granulat in Peelings und fungieren als Füllstoffe, Bindemittel oder Antistatika in Make-ups, Gesichtscremes, Pudern oder Shampoos. In allen Fällen landet das Mikroplastik im Anschluss an seine Anwendung im Abwasser.
Unsere Kläranlagen können Mikroplastik nicht filtern
Problematisch dabei ist, dass Kläranlagen nicht darauf ausgerichtet sind, derart kleine Partikel herauszufiltern. Und wenn sie sich im Klärschlamm befinden, gelangen sie in einigen Fällen noch immer auf die Felder und Wiesen. Das gilt ebenso für die winzigen Plastikfasern, die pro Waschgang tausendfach aus synthetischer Kleidung oder aus Putzlappen ausgewaschen werden und für den Abrieb von Autoreifen. Von der Menge an Plastikmüll, die jährlich ins Meer wandert, bestehen zwischen 15 und 31 Prozent aus winzigen Plastikpartikeln, schätzt die Weltnaturschutzunion IUCN. Kunststoffe sind ausgesprochen stabil und werden in der Umwelt biologisch nahezu nicht abgebaut. Zersetzungszeiten von 450 Jahren und länger werden gegenwärtig angenommen. Darüber macht sich kaum jemand Gedanken, die/der Auto fährt, einen Fleecepulli trägt, oder ein Shampoo benutzt.
Kosmetika ...
Dass die Wirksamkeit von Kosmetika nicht von den Kunststoffteilchen abhängt, zeigt sich auch daran, dass der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel seinen Mitgliedern empfiehlt, ohne Mikroplastik zu produzieren. In Ländern wie den USA und Kanada ist Mikroplastik in Kosmetika mittlerweile verboten. In Deutschland sollen die Hersteller bis 2020 freiwillig auf den Einsatz der Partikel verzichten. Zwar haben viele Unternehmen angekündigt, die Plastikpartikel aus ihren Produkten zu verbannen, doch nur wenige haben ihre Marken bislang konsequent umgestellt. Beim BUND können Sie nachlesen, welche Unternehmen versprochen haben, auf Mikroplastik zu verzichten - und wie weit sie gekommen sind. Einzig im Bereich Zahnpasta haben die Hersteller die Plastikwinzlinge bereits verbannt.
Definition: Was zählt zu Mikroplastik?
Derweil streiten Unternehmen und Umweltverbände darüber, was alles unter Mikroplastik zu verstehen sei. Das Kernproblem dabei ist: Aktuell gibt es noch keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Mikroplastik“. Nach der gebräuchlichen Begriffsklärung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA), zählen Plastikteilchen und Plastikfasern unter 5 mm Größe zu Mikroplastik. Diese Definition hat allerdings keine Untergrenze und umfasst auch nicht Form, Oberfläche und chemische Zusammensetzung der Teilchen.
Streitpunkt: Flüssige Kunststoffe
Streitpunkte gibt es dadurch vor allem bei flüssigen Kunststoffen, wie sie in der Kosmetik eingesetzt werden. Sie sorgen z.B. als Filmbildner in Duschgelen für die gelartige Konsistenz. Zählen aber flüssige Kunststoffe auch zu Mikroplastik?
Je nach Ausgangspunkt werden unterschiedliche Definitionen gewählt. Umweltschutzorganisationen wie der BUND oder Greenpeace verwenden die Definition der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Diese schließen aber auch flüssige Polymere wie zum Beispiel Nylon-12, Acrylate Crosspolymer. Acrylates Copolymer oder Polyquaternium-7 mit ein.
Hersteller informieren nur über feste Teilchen
Die Hersteller jedoch beschränken sich bei der Definition meist auf Plastikteilchen in fester Form, erkennen lediglich Polyethylen (PE) als Mikroplastik an und propagieren auf diese Weise mikroplastikfrei zu sein. Laut ihrer Definition kommen sie also der selbst auferlegten Ausstiegsverpflichtung nach.
Das kritisierte im April 2017 auch Greenpeace: „Was die konventionelle Kosmetik uns als Mikroplastik-frei verkauft, ist eine Verbrauchertäuschung. Bekannte Kosmetik- und Körperpflegeprodukte, zum Beispiel aus der Nivea-Linie, haben nach wie vor ein Plastikproblem“. Im Greenpeace-Herstellercheck von April 2017 sind zahlreiche Produkte aufgeführt, die flüssige Polymere enthalten.
Wo Wirtschaft und Politik versagen, bleibt es leider wieder einmal an den Verbraucher*innen, sich aufwändig zu informieren. Eine einfache Regel, wie man die Kunststoffpartikel auf Anhieb erkennt, gibt es leider nicht. Wer auf Mikroplastik verzichten will, muss also genau hinschauen und die Deklaration der Inhaltsstoffe lesen. Anhaltspunkte sind Inhaltsstoffe mit Namen, in denen die Silbe „poly“ vorkommt.
TIPP:
Hinter folgenden Namen verbirgt sich Mikroplastik: Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET), Nylon-12, Nylon-6, Polyurethan (PUR), Acrylates Copolymer (AC), Acrylates Crosspolymer (ACS), Polyacrylat (PA), Polymethylmethacrylat (PMMA), Polystyren (PS). Quelle: BUND.
In welchen Produkten Mikroplastikbestanteile eingesetzt werden, zeigt ein Einkaufsratgeber des BUND. In der Regel kann man sich auf Produkte verlassen, die in Biomärkten und Reformhäusern angeboten werden. Im Hersteller-Check von Greenpeace finden Sie auf Seite 6 eine Liste von zertifizierten Naturkosmetik-Herstellern. Greenpeace: Plastik in Kosmetik – Deutsche Hersteller im Check (PDF)
Tipp:
Nutzen Sie Produkte von Naturkosmetikherstellern. Diese verwenden weder feste noch flüssige Kunststoffe. Das BDHI Prüfzeichen garantiert kontrollierte Naturkosmetik.
Bei jeder Wäsche werden Plastikpartikel ausgewaschen
Aber Kosmetika sind, wie bereits erwähnt, nur ein Teil des Problems. Eine Untersuchung der IUCN zeigt, dass Plastikpartikel aus synthetischer Kleidung und der Abrieb von Autoreifen die Ozeane in einem bislang nicht bekannten Ausmaß verschmutzen. Zwei Drittel der Partikel dürften aber aus Kleidung (35 Prozent) und Reifenabrieb (28 Prozent) kommen. "Tägliche Aktivitäten wie Kleidung waschen und Autofahren tragen erheblich zu der Verschmutzung bei, die unsere Ozeane erstickt", sagte IUCN-Generaldirektorin Inger Andersen. Pro Wäsche können sich hunderttausende Fasern aus den Textilien lösen und ins Abwasser gelangen. Es wird bereits an verschiedenen Wegen, dieses Problem zu bekämpfen, gearbeitet.
TIPP:
Es gibt Waschbeutel gegen Microwaste, die kleinste Partikel abfangen, wie beispielsweise vom Berliner Start-up Guppyfriend. Was auf jeden Fall hilft: auf Kleidung, Bettwäsche, Putzlappen etc. aus Kunstfasern zu verzichten und Produkte aus Naturfasern wie Baumwolle, Leinen, Hanf oder Wolle etc. zu verwenden.
Gesundheitliche Auswirkungen noch unbekannt
Dass Plastik nicht nur ein Problem der Ozeane ist, zeigen Untersuchungen am Gardasee, an der österreichischen Donau sowie an mehreren bayerischen Flüssen und Seen. Bei letzteren hat man herausgefunden, dass das Wasser selbst nur gering belastet ist, die Ufersedimente dafür umso stärker: An den Ufern des Starnberger Sees zum Beispiel fand man über 800 Plastikpartikel pro Quadratmeter – ähnlich viel wie an einem mäßig belasteten Mittelmeerstrand.
Welche Auswirkungen die Teilchen auf die Umwelt und auf die Gesundheit des Menschen haben, wurde bisher nur unzureichend untersucht. Aber die Zahl der Beweise dafür, dass diese Plastikpartikel sehr wohl einen Einfluss auf den Organismus haben, nimmt zu. Das gilt nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen. Die Indizien lasten so schwer, dass die UNO die winzigen Partikel zu einer von sechs Umweltbedrohungen erklärt hat, die tiefergehend erforscht werden sollen. "Die wissenschaftliche Gemeinschaft arbeitet mit Hochdruck daran zu verstehen, welche Auswirkungen Verunreinigungen mit Mikroplastik auf verschiedene Organismen haben. Dabei geht es auch um das Risiko für die Gesundheit des Menschen, das durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln entstehen könnte", heißt es in dem UN-Bericht.
Während größere Plastikteile in den Mägen von Tieren vor allem zu Verletzungen und Verstopfungen führen, und man bei Nanoteilchen (die ein Vielfaches kleiner sind als das Mikroplastik) vermutet, dass sie in die Zellen eindringen können, stehe man bei der Untersuchung der Auswirkungen der Mikroplastikteile noch ganz am Anfang.
Die allergrößte Menge der aufgenommen Plastikteilchen werde von den Lebewesen wieder ausgeschieden, erläutert Dr. Barbara Scholz-Böttcher vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) an der Universität Oldenburg. In den Organismen findet man die Partikel daher auch nahezu ausschließlich im Magen-Darmtrakt und weniger im Muskelgewebe. Im Muskel und Fett der Tiere hingegen akkumulieren vor allem eher die Additive wie Schwermetalle, Weichmacher, Stabilisatoren oder Farbstoffe. Diese wurden zuvor aus den Kunststoffen herausgelöst, stammen zugleich aber auch aus zahlreichen anderen Quellen. Die Kunststoffmikropartikel wirken im Wasser allerdings auch wie Magnete auf Umweltgifte: Die Giftkonzentration an der Oberfläche der Plastikpartikel ist oft hundertmal höher als im Wasser selbst. Wenn Tiere diese Mikroplastikpartikel fressen, besteht das Risiko, dass sie hierüber Gifte mit aufnehmen.
Die Aufnahme von Mikroplastik über die Luft dürfte aber um ein Vielfaches größer sein. Allein im Hausstaub finden sich unzählige feinste Plastikfasern, beispielsweise aus Putztüchern, Bettwäsche oder Sport- und Funktionskleidung, die fast jeder Haushalt besitzt.
Mehr Info:
Greenpeace-Hersteller-Check: Greenpeace: Plastik in Kosmetik – Deutsche Hersteller im Check (PDF)
BUND- Einkaufsführer Mikroplastik
Der Stammtisch "Plastikfreies Leben in Augsburg" findet jeden ersten Dienstag im Monat im Café Anna statt. Mehr Infos: www.plastikfreies-augsburg.de
Petitionen:
Mit der Online-Petition „Kein Plastikmüll in der Umwelt“ fordert der Verbraucherservice Bayern eine Pflichtabgabe auf alle Kunststoffprodukte. Mit dieser Abgabe soll zum einen der Eintrag in die Umwelt drastisch reduziert, zum anderen bereits vorhandener Plastikmüll beseitigt werden.