bio
fairtrade

Koffeinkick und Nachhaltigkeit

Was ist nachhaltiger: Tee oder Kaffee? Gastkolumne von Ursula Hudson
Nespresso-Kapseln

Die Deutschen trinken leidenschaftlich gern Kaffee, pro Kopf rund 150 Liter im Jahr. Das macht uns in puncto Kaffeekonsum zu einer der 20 Topnationen weltweit. Beim Tee rangieren wir mit 28 Litern pro Kopf dagegen eher unter ferner liefen – mit einer sehr auffälligen, regionalen Ausnahme: Die Ostfriesen sind mit 300 Litern seit Jahren die unangefochtenen Tee-Weltmeister.

 

Egal ob nun das Tässchen Kaffee oder die Schale Tee, für die meisten von uns gehört zumindest eines von beiden zum täglichen Genuss. Das liegt nicht nur an der überwältigenden Geschmackspalette beider Getränke, sondern auch an einem in ihnen enthaltenen psychotropen Alkaloid (Koffein, Teein). Es wird von den meisten Menschen als angenehm stimulierend empfunden und ruft jene in Bürogesprächen so vielbeschworene »Lebensretter-Wirkung« hervor.

 

Haben Sie über einer Tasse »Ihres« Wachmachers schon einmal nachgedacht, welches Getränk nachhaltiger ist? Die Bilanz fällt eindeutig zugunsten des Tees aus – doch Klimaschoner sind beide nicht. Kaffee und Tee werden überwiegend in Monokultur angebaut und sind große Flächenverbraucher. In Trockentonnage gemessen produziert die Welt jedoch weit mehr Kaffee als Tee. Rund neun Millionen Tonnen Kaffee werden jedes Jahr weltweit auf zehn Millionen Hektar Anbaufläche erzeugt. Dem stehen fünf Millionen Tonnen Tee entgegen, der auf 3,5 Millionen Hektar Fläche angebaut wird. Der Ertrag von Kaffee pro Hektar fällt also weit niedriger aus als bei Tee. Hinzu kommt der Wasserverbrauch. Die Erzeugung von einem Kilogramm Röstkaffee erfordert in der Herstellung etwa 21 000 Liter Wasser. Pro Tasse sind das mehr als 140 Liter! Zum Vergleich: Eine Tasse Tee kommt in der Produktion mit 30 Litern Wasser aus.

 

Müll hat einen Namen: Nespresso

Was Kaffee aber wirklich zum Klimakiller machen kann, ist die Zubereitungsform. Es ist ein Riesenunterschied, ob unser Tässchen aus der Kapsel-Maschine von Nespresso stammt oder etwa in einer filterfreien Coffee-Press zubereitet wird. Denn die Herstellung von Aluminiumkapseln ist alles andere als umweltfreundlich. Zur Gewinnung von einem Kilogramm Aluminium aus Bauxit müssen 14 Kilowatt Strom eingesetzt werden, allein dafür werden acht Kilogramm Kohlendioxid frei. Beim Abbau des Aluminiumerzes Bauxit im Tagebau werden zudem häufig Wälder abgeholzt und es fällt giftiger, eisenhaltiger Rotschlamm an. Leider boomt der Kapsel-Markt dank einer äußerst erfolgreichen Marketingkampagne. Weltweit eifern Kaffeetrinker ihrem Werbeidol George Clooney nach. Pro Minute werden nach Branchenangaben 12 300 Tassen konsumiert. Das verursacht – ebenfalls je Minute – 12,3 Kilogramm Alu-Abfall. Ein Fakt, der Umweltaktivisten auf einen treffenden Slogan gebracht hat: »Müll hat einen Namen: Nespresso!«

 

Richtig teuer ist diese Form des Kaffeegenusses aber nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Konsumenten. Marktführer Nestlé gelang mit seiner Nespresso-Maschine die Kopie eines unglaublich lukrativen Geschäftsmodells der PC-Drucker-Branche. Diese verkauft den Kunden Tintenstrahl-Drucker zu vermeintlichen Billigpreisen. Manche Geräte sind schon ab 50 Euro zu haben. Doch für den dauerhaften Betrieb zahlt man dann horrende Summen.

 

Druckertinte gehört zu den teuersten Flüssigkeiten der Welt: Für einen Liter Farbe blättern wir soviel hin wie für einen Flachbildfernseher. Ähnlich funktioniert die Geschäftsidee beim Kapsel-Kaffee. Hochgerechnet kostet  das Kilo beim Marktführer 60 Euro, bei Discountern noch zwischen 12 und 20 Euro. Zum Vergleich: Ein Kilo konventioneller Espressokaffee ist schon ab acht bis 14 Euro zu haben. Der Umweltsenator der Stadt Hamburg hat erst jüngst auch aufgrund solcher Rechnungen den Gebrauch von Kaffeekapseln in städtischen Büros untersagt.

 

Gut für die Ökobilanz ist es natürlich, wenn der Kaffee aus nachhaltiger Bioproduktion stammt. Und besser noch, wenn er auch fair gehandelt wird. Im Gegensatz zur Teeproduktion im Plantagenanbau gibt es beim Kaffee noch viele Kleinerzeuger und selbstständige Bauern. Ihr Anteil an der Gesamtproduktion liegt je nach Schätzung zwischen 70 und 80 Prozent. Einige von ihnen haben sich in Erzeugergemeinschaften organisiert und werden von der Slow Food Stiftung für Biodiversität in dem internationalen Projekt »Arche des Geschmacks« betreut (www.fondazioneslowfood.com/en/). Und viele fair gehandelte Kaffees in Bioqualität finden sich natürlich auch im Einzelhandel.

 

Die Schweizer Materialprüfungsanstalt Empa gibt in einer Studie aus dem Jahr 2014 an, dass die Kaffeekultivierung im schlechtesten Fall rund 70 Prozent der Umweltbelastung einer Tasse Kaffee ausmacht, im besten Fall gerade noch ein Prozent. Werden nachhaltige Kaffees dann in der Espressomaschine als löslicher oder als traditioneller Filterkaffee zubereitet, fällt die Ökobilanz am günstigsten aus. An eine Tasse nachhaltig produzierten, offenen Tees reicht aber auch dies nicht heran. Letzterer ist schon aufgrund des niedrigeren Wasserverbrauchs einfach umweltverträglicher.

 

Übrigens: Bevor der Kaffee- und Teekonsum sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts in Europa zu verbreiten begann, kannte man hier eigentlich nur berauschende Genussmittel wie Bier, Wein oder Schnaps. Deren Ökobilanz fällt ungemein günstiger aus. Doch ob man damit den Tag beginnen sollte, ist eine andere Frage.

 

Bleiben Sie weiterhin engagiert, kritisch und genussfreudig,

Ihre Ursula Hudson

 

Diese Kolumne stammt aus dem Slow-Food Magazin und wurde am 10.8.2016 im Lifeguide veröffentlicht.

Ursula Hudson, Vorsitzende Slow Food Deutschland
Ursula Hudson, Vorsitzende Slow Food Deutschland
Slow Food Magazin 2-2016
Slow Food Magazin 2-2016
×

Mehr Entdecken

KONTAKT