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Kochen macht glücklich

15 Fragen an „Home in a Bowl“: "Wenn wir zu dritt sind, haben wir Superkräfte". Tanja Blum und die Schwestern Karin und Johanna Wehle haben ihre vielen Talente zusammengetan und das wirklich wunderbare Kochbuch „Home in a Bowl“ geschrieben.
Tanja Blum und Johanna Wehle (von links) von "Home in a Bowl" Augsburg. Foto: Cynthia Matuszewski

Das Treffen mit Johanna Wehle und Tanja Blum fühlt sich ein bisschen so an wie Kaffeetrinken mit gute Freundinnen oder ein Plausch mit der eigenen Tochter. Also sofort sehr gut. Die zwei sitzen in dem schönen Ladenlokal der Lokalhelden, vor sich einen dampfenden Ingwer-Tee. Beide wärmen ihre Hände an den bauchigen Tassen und strahlen an diesem grauen Novembertag sehr viel positive Energie aus. Das hat bestimmt auch etwas mit ihrer geheimen Superkraft zu tun, auf die wir später noch zu sprechen kommen.

Wenn die beiden von ihrem interkulturellen Kochbuch erzählen, merkt man sofort: Sie lieben, was sie tun. Eigentlich sind es ja drei Frauen, Tanja Blum und die Schwestern Karin und Johanna Wehle, die ihre vielen Talente zusammengetan und das wirklich wunderbare Kochbuch „Home in a Bowl“ erschaffen haben. Karin ist leider verhindert, sie macht eine kulinarische Reise durch Mexiko und während wir in Augsburg Tee trinken, probiert sie in Oaxaca eine Suppe aus Rindermägen und denkt darüber nach, Chili-Heuschrecken zu kosten. Wir sind gespannt auf ihren Bericht. Vorerst haben wir sie gebeten, ihre Antworten schriftlich zu ergänzen und das hat prima geklappt.  

Die drei Frauen sind im vergangenen Jahr in die Küchen von Menschen gegangen, die aus den unterschiedlichsten Ländern kommen und die in Augsburg ihr Zuhause gefunden haben. Sie haben in ihre Töpfe geschaut, mit ihnen geschnippelt und gekocht, mit den Kindern gespielt und mit ihnen über Erziehung und Politik, über Männer und die ferne Heimat gesprochen. Karin hat die Fotos und später das Layout des Kochbuchs gemacht, Johanna die Interviews für ihre Reportagen geführt und Tanja stand hinter den Köch*innen und notierte gewissenhaft alle Zutaten. Außerdem war sie für die Projektkoordination und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Mehr zu dem Kochbuch „Home in a Bowl“ mit Portraits und über 40 Rezepten hier. Für ihren gemeinnützigen Verein, der zu Gleichberechtigung und Integration beitragen möchte, wünschen sich die drei Frauen noch ein paar neue Mitstreiter*innen.

 

Steckbrief:

Name: Johanna Wehle, Karin Wehle und Tanja Blum

Beruf:

Johanna: Sozialarbeiterin, selbstständige Sozialredakteurin

Karin: Webentwicklerin und Designerin

Tanja:  Projektmanagerin im kreativen sozialen Bereich, Koordinatorin von Freiwilligenarbeit im Asylbereich

Geboren in:

Johanna und Karin: Gangkofen bzw. Eggenfelden in Niederbayern

Tanja: Boos im Allgäu

Leben in: Augsburg

Lieblingsort: 

Johanna: Die Küche – da ist das Essen in der Nähe und der Wasserhahn. Also alles, was man so braucht.

Karin: Irgendwo am Wasser, am liebsten auf einer kleinen Insel am Ende der Welt. Notfalls tut es aber auch eine Badewanne.

Tanja: Der Siebentischwald, da bin ich unheimlich gern mit dem Rad unterwegs.  

Was motiviert Euch?

Tanja: Etwas zu verändern und zu hinterlassen, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist.

Johanna: Die Liebe zum Leben, zu gutem Essen und zu einer guten Zukunft.

Tanja: Wenn wir zu dritt sind, haben wir Superkräfte.

 

15 Fragen an „Home in a Bowl“

Was war Euer Lieblingsessen als Kind?

Johanna: Spagetti Bolognese – damals noch mit Fleisch. Und weiche Eier zum Frühstück.

Karin: Blumenkohl in Schinken-Käsesoße und Spinat.

Tanja: Butterknödel-Suppe – das hat meine Oma immer gekocht. Das war auch mein erstes eigenes Gericht.

Was kocht Ihr, wenn Besuch kommt?

Johanna: Fingerfood – ich mag es sehr gern, wenn man immer ganz viele kleine Teller hat – egal ob asiatisch oder italienisch. Irgendetwas, wo alle reingreifen können, das ist für mich sehr kommunikativ.

Tanja: Die zwei Dhals aus dem Kochbuch – das geht schnell und alle Freunde fahren darauf ab.

Karin: Von Reisen mitgebrachte Rezepte wie Thai-Curries mit selbstgemachter Currypaste, vietnamesische Pho, Sommerrollen, verschiedene chinesische Gemüsegerichte und Teigtaschen...

Johanna: "Essen ist etwas, was jeder braucht, worum sich jeder tagtäglich kümmern muss. Und Kochen hat so wahnsinnig viele schöne Facetten. Man kann daraus etwas Wunderbares machen, ein Kunstwerk. Außerdem schmeckt Essen gut und bringt Menschen zusammen. Mir fallen sehr wenige Dinge ein, die soooo viele positive Aspekte haben."

Kann Essen und Kochen auch ein politisches Statement sein?

Johanna: Also ich glaube, Essen und Kochen sind vor allen Dingen Alltag. Aber wenn man es ganz genau nimmt, sollte Politik auch den Alltag miteinbeziehen. Also wahrscheinlich ja…

Tanja: … essen bringt ja auch die unterschiedlichsten Menschen zusammen, in Gesprächen und beim Meinungsaustausch …

Karin: ...und dann gibt es natürlich noch den Einfluss, den Produktion und Transport der Zutaten auf die Umwelt und den Rest der Menschheit haben.

Karin: "Wer Linsen kocht, obwohl er sich auch Fleisch leisten könnte, sagt damit ohne Zweifel etwas über seine Prioritäten aus."

Alle Welt kocht, alle Welt postet Fotos von leckeren Gerichten. Warum ist Kochen so toll?

Johanna und Tanja (lachen): Es macht glücklich

Johanna: Essen ist etwas, was jeder braucht, worum sich jeder tagtäglich kümmern muss. Und Kochen hat so wahnsinnig viele schöne Facetten. Man kann daraus etwas Wunderbares machen, ein Kunstwerk. Es gibt ja wirklich auch wunderschönes Essen, Essen für das Auge. Außerdem schmeckt Essen gut und bringt Menschen zusammen. Mir fallen sehr wenige Dinge ein, die soooo viele positive Aspekte haben. Also Kochen hat ausschließlich Vorteile. (Großes Gelächter)

Mit welcher bekannten Persönlichkeit würdet Ihr gern einmal Kaffee trinken?

Johanna: Bei uns wäre das in jedem Fall eine Tasse Tee… und da fallen mir viele Menschen ein, aber niemand Besonderes. Ich glaube echt, ich würde einfach gern mit den richtigen Leuten Tee trinken, mit denen man was bewegen kann.

Karin: Ich nehme ein Bier und schließe mich Johanna an.

Was würdet Ihr ändern, wenn Ihr Bürgermeisterin von Augsburg wärt?

Tanja: Ich würde versuchen, die kleinen, unabhängigen Vereine, die interkulturellen Projekte, etwas mehr zu fördern und ihnen mehr Öffentlichkeit zu verschaffen.

Johanna: Ich würde die Vernetzung fördern, noch mehr Räume schaffen, in denen Menschen zusammenkommen können. Es ist immer wieder toll, mitzukriegen, wieviel Energie frei wird, wenn man miteinander ins Gespräch kommt.

Was bedeutet für Euch nachhaltig leben?

Johanna: Dass man bewusst lebt. Dass man für sich selbst und in Bezug auf seine Umwelt und andere Menschen bewusste Entscheidungen trifft. Eine Entscheidung hat immer ihr Für und Wider, aber man kann im Kleinen und im Großen Entscheidungen treffen, das beginnt schon beim alltäglichen Einkauf.

Was regt Euch auf?

Johanna: Ignoranz

Tanja und Johanna: (unisonso) Ungerechtigkeit (Gelächter)

Karin: Wenn jemand kein Interesse daran hat, seine Meinungen gelegentlich auch einmal zu überdenken.

Wer ist Euer Held?

Tanja: "Mir imponieren Menschen , die viel durchgemacht haben, die dann dann trotzdem aufstehen und weiterkämpfen. Und die sich beispielsweise über ein leckeres Essen freuen können."

Johanna: Ich bin tatsächlich immer erstaunt, wenn ich Menschen treffe, die viel durchgemacht haben, was mir als Sozialarbeiterin oder bei der Arbeit mit Flüchtlingen häufig passiert. Ich bin immer wieder beeindruckt, dass sie trotzdem so eine positive Lebenseinstellung haben. Auch Kinder haben da oft so eine schöne innere Haltung … da wäre ich schon ewig lange vorher umgekippt…

Tanja: Ja, mir imponieren diese Menschen auch, die so viel durchgemacht haben: Die dann trotzdem aufstehen und weiterkämpfen. Und die sich dann beispielsweise über ein leckeres Essen freuen können.

Johanna: "Es hat mich sehr gerührt, wie stolz unsere Köchinnen und Köche waren, als sie zum Schluss das Buch in den Händen hielten."

In Eurem Kochbuch erwähnt Ihr Eure Eltern - was habt Ihr für ein Verhältnis zu ihnen?

Johanna: Meine Eltern sind sehr idealistisch, sie sind in ihrem Ort sehr aktiv. Mein Vater hat schon Deutschkurse gegeben, als es noch gar keine Einwanderungswelle gab. Deswegen auch diese Erwähnung in unserem Kochbuch, weil sie uns da schon sehr geprägt haben, als idealistische 68er.

Es ist uns aber auch sehr wichtig, auf der Grundlage dieser Dankbarkeit eigene Sachen zu machen und selbstständig zu sein. Jetzt haben wir ein freundschaftliches Verhältnis auf Augenhöhe.

Tanja: Meine Mama hat mich immer bei allen Projekten unterstützt, die ich gemacht habe, während mein Papa sich oft Sorgen gemacht hat. Finanzielle Sicherheit war ihm immer ziemlich wichtig und ich arbeite ja im kreativen sozialen Bereich, das erschien ihm unsicher. Aber jetzt hat er in der letzten Jahren gesehen, dass es funktionieren kann. Und durch meine Arbeit mit dem Kochbuch sind meine Eltern auch mit der Flüchtlingsthematik in Kontakt gekommen, was in so einem kleinen Allgäuer Dorf nicht alltäglich ist. Und dann haben meine Eltern eine Zeit lang eine pakistanische Flüchtlingsfamilie aufgenommen – also hat meine Arbeit sie beeinflusst. Das war schön.

Was sollte niemand von Euch wissen?

Tanja und Johanna: (Gelächter)Das ist eine gemeine Frage!

Tanja: Ich glaube, mich sollte nie jemand singen hören.

Johanna: Niemand sollte von mir wissen, wie oft ich die richtige Schreibweise eines Wortes googlen muss.

Karin: Wieviel Schlaf ich wirklich brauche.

Was ist Eure geheime Superkraft?

Johanna: Bei mir ist es die Empathie. Das ist tatsächlich etwas, worauf ich lange Zeit gar nicht so stolz war, weil es etwas ist, was heute nicht so viel Erfolg bringt, was gar nicht so geschätzt wird. Leider. Aber inzwischen empfinde ich es als umfassende Qualität. Inzwischen gewöhne ich mich dran.

Tanja: Wenn wir zu dritt sind, haben wir Superkräfte. Bei „Home in a Bowl“ hat jeder schon seine besonderen Talente und Fähigkeiten eingebracht. Bei mir war es die Fähigkeit, verschiedene Ideen zu verbinden oder auch verschiedene Menschen zu vernetzen.

Karin: Ich glaube ich bin ganz gut darin, den Überblick zu behalten und ein Projekt als Ganzes zu sehen. Außerdem konnte ich im Zutatenindex des Kochbuches endlich einmal mein Nischenwissen über exotische Lebensmittel sinnvoll einsetzen.

Johanna: Und Karin ist in allem, was mit Design, mit Schönheit zu tun hat auch wirklich großartig.

Wann habt Ihr zuletzt etwas Neues ausprobiert?

Tanja: Ich war vor ein paar Tagen zum ersten Mal in England – das hat mir sehr gut gefallen.

Johanna: Ich habe vor drei Tagen zum ersten Mal in der Mikrowelle gekocht (lacht). Ich habe Mug-Cakes gebacken. Man rührt sie in der Tasse an und stellt sie in die Mikrowelle – und Mikrowelle ist ja so verpönt, aber ich wollte es mal ausprobieren und es ist wirklich lecker gewesen.

Karin: "Hier in Mexiko habe ich gerade eine überraschend leckere Suppe aus Rindermägen und anderen Innereien mit Koriander und Limettensaft probiert. An die Chili-Heuschrecken, die es hier überall gibt, habe ich mich aber noch nicht herangetraut."

Wie seid Ihr in Augsburg unterwegs?

Johanna: Mit allem, was gerade notwendig ist – wetterbedingt und streckenbedingt.

Tanja: Ich bin meistens zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, ich wohne ja auch zentral.

Karin: Ich gehe gerne zu Fuß und nutze die Zeit, um über dies und jenes nachzudenken.

Was ist das Tolle an Augsburg?

Johanna: Augsburg ist groß genug, dass sich etwas entwickeln kann, aber nicht so groß wie in München, dass man sich in den vielen Stadtteilen aus den Augen verliert.

Tanja: Ja, Augsburg hat die richtige Balance zwischen Groß und Klein … und hier passiert sehr viel. Als ich vor sechs Jahren hierher kam dachte ich: Wow, ich komme genau zum richtigen Zeitpunkt.

Habe ich vergessen, etwas zu fragen?

Johanna: Ja, vielleicht wie es unseren Köchinnen und Köchen mit der ganzen Sache gegangen ist, das habe ich mir schon ein paarmal gedacht, dass das niemand fragt. Denn es hat mich sehr gerührt, dass sie alle sehr stolz waren. Als sie zum Schluss das Buch in den Händen hielten, hatte man gemerkt, dass sie stolz waren auf den Beitrag, den sie geleistet haben. Die Stimmung bei der Buchpräsentation war so positiv emotional geladen, wie bei einer Geburt oder einer Hochzeit.

 

Von „Home in a Bowl“ gibt es inzwischen einen zweiten Band, "Home in a bowl II". Hier erfahrt ihr mehr:

Der Verein:

Wer Lust hat, Vereinsmitglied bei „Home in a Bowl“ zu werden: Bitte eine Mail an kontakt@homeinabowl.de

Erstveröffentlichung im Lifeguide: 15.12.2016

 

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