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„Immer auf der Suche nach der Seele des Kaffees“

15 Fragen an Stefan Steidle von der Bohnenschmiede. Seit 2014 kaufen er und Max Schmid per direct-trade bei Kafffebauern aus 14 Ländern und rösten daheim in Wehringen erlesenen Kaffee.
Stefan Steidle und Max Schmid von der Wehringer Kaffeerösterei Bohnenschmiede. Foto: Annika Müller

 „Wir hatten die Idee, wir gingen zum Rathaus, zehn Minuten später gab es die Firma."

Stefan Steidle von der Wehringer Kaffeerösterei Bohnenschmiede

Seit 2014 hat der kleine Ort Wehringen, südlich von Augsburg, eine eigene Kaffeerösterei: die Bohnenschmiede. Hier und in vielen regionalen Verkaufsstellen gibt es den leckeren Kaffee aus 14 Ländern, geröstet in Wehringen und eingekauft direkt bei den Kaffeebauern in Bolivien, Nicaragua, Peru und in vielen anderen Ländern. Viele der Bohnen sind biozertifiziert.

Angefangen hat alles mit einer Kaffeeröstmaschine, die der Maschinenbauingenieur Stefan Steidle und sein Freund, der Schlosser Hermann Schmid, selbst bauten. Heute führt Hermanns Sohn Max Schmid zusammen mit Stefan Steidle den Betrieb. Ihr erkennt den Kaffee von Max und Stefan nicht nur am guten Geschmack, sondern auch an ihren außergewöhnlichen Namen wie „Jaaa verreck“, „Narrisch guat“ oder „Himmi Herrgott“.

Steckbrief:

  • Name: Stefan Steidle
  • Beruf: Maschinenbauingenieur (Kaffeeröster im Nebenberuf)
  • Geboren in: Bobingen
  • Lebt in: Wehringen
  • Lieblingsort: Also neben der Rösterei (lacht) – aber Zuhause ist es natürlich am schönsten, mit der Familie.

 

Wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?

Stefan Steidle: Ich wechsele ab. Ich habe eigentlich jeden Tag verschiedene Zubereitungsarten. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann Espresso.

 

Mit welcher bekannten Persönlichkeit würdest du gerne mal einen Kaffee trinken?

Ganz sicher ein Musiker, weil ich ja selbst Musiker bin. Wer wäre da interessant? Phil Collins.

 

Wie begann eure Leidenschaft für das Kaffeerösten?

Irgendwann hatte ich mit der reinen Kaffee-Zubereitung alles ausprobiert. Der nächste Schritt war ein Mini-Röster für den Hobby-Bereich. Damit habe ich auf der Terrasse angefangen. Beim Rösten hat man neue Möglichkeiten, den Geschmack des Kaffees zu beeinflussen und zu verändern. Dann kam damals mein Freund Hermann und meinte, sowas können wir auch selbst bauen. Ein bisschen größer. Und so ist das losgegangen. Wie sagt man das so schön, eine Schnapsidee (lacht).

 

2014 habt ihr die Bohnenschmiede als Unternehmen gegründet – welche Hürden musstet ihr dabei überwinden?

Ehrlich gesagt: keine (lacht). Wir hatten die Idee, wir gingen zum Rathaus, zehn Minuten später gab es die Firma. Also das war echt einfach (lacht). Man muss dazu sagen, das Gebäude gehört Max bzw. seiner Mutter, ist also im Familienbesitz. Wir mussten niemanden fragen und können hier machen was wir wollen. Das Einzige, was wir machen mussten, war eine Nutzungsänderung der Immobilie eintragen zu lassen damit wir hier Kaffee rösten können. Aber das war auch schon alles.

 

Euer Motto lautet „Immer auf der Suche nach der Seele des Kaffees.“ Was genau ist die Seele des Kaffees?

Eine Seele, und das darf man ja ruhig mit dem Mensch vergleichen, ist nichts Einfaches, sondern definitiv etwas Komplexes. Das hat viele Aspekte. Beim Menschen genauso wie beim Kaffee. Wie wächst der Mensch auf, wie wird er von außen beeinflusst. Und so ist das beim Kaffee auch."

Stefan Steidle, Kaffeeröster

Kaffee-Tasting mit Stefan Steidle und Max Schmid von der Wehringer Kaffeerösterei Bohnenschmiede. Foto: Annika Müller

Der Kaffee, und das was man am Ende in der Tasse schmeckt, stellt dar, wo der Kaffee gewachsen ist. Wer ihn angebaut und gepflegt hat. Wie er weiterverarbeitet wurde. Wie er am Ende geröstet und zubereitet wurde. Für uns ist das Schöne, herauszufinden, was macht die einzelne Bohne aus? Welchen Charakter hat die? Das ist aus der Sicht des Rösters eine Herausforderung, das zu erforschen und auszuprobieren. Wie muss der Kaffee am besten geröstet werden? Am Ende spielt auch unser persönlicher Geschmack eine Rolle und so rösten wir, wie wir es für richtig empfinden.  

 

Das kann aber jeder anders sehen und so ist das eine Suche, die nie aufhört. Auch unsere Möglichkeiten verändern sich. Nicht nur dadurch, dass wir immer erfahrener werden mit den Jahren, aber auch die technischen Möglichkeiten verändern sich. Somit hat man wieder neue Möglichkeiten, herauszufinden, was der Kaffee so in sich hat. Und das macht es für uns aus.

 

Wie kommt ihr auf die Namen eurer Kaffeesorten?

Darüber haben wir uns lange Gedanken gemacht. Was passt zum Charakter dieses Kaffees? Unsere Namen sind eine Mischung aus bayrisch und schwäbisch, so wie wir auch, als bayrische Schwaben. Die Sorten „Heiligs Blechle“ oder „Den mogsch“ sind eindeutig aus dem Augsburger Eck. (lacht) Dann gibt es auch oberbayrische Namen, wie den „Bleamerl Kaffää“.

Entscheidend ist: Passt der Name zu uns? Soll ja ein bisschen ein Augenzwinkern sein.

 

Ihr habt das direct-trade-Siegel – Wie läuft der Kontakt zu den Kaffeebauern vor Ort ab?

Es ist so gesehen kein Siegel wie Fairtrade beispielsweis: Fairtrade ist eine Organisation die das ganze überwacht und dementsprechend für alle Beteiligten Geld kostet. Direct-trade ist nichts anderes als, frei übersetzt, der direkte Handel mit den jeweiligen Kaffeebauern.

Max Schmid und Stefan Steidle von der Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller

"Für uns, als kleine Kaffeerösterei, ist es eine Herausforderung zu sagen, ich kenne jeden Kaffeebauern persönlich und ich war überall. ... Deswegen arbeiten wir mit Direktimporteuren."

Stefan Steidle, Kaffeeröster

Wir haben Kaffee aus 14 verschiedenen Ländern. Es wäre also eine finanzielle Herausforderung, jedes Jahr 14 Länder zu bereisen. Es wäre auch eine zeitliche Herausforderung und ich muss klar sagen, ich fände das auch nicht nachhaltig, wenn wir so viele Flugreisen jedes Jahr machen würden.

 

Deswegen ist unser Weg, über Direktimporteure zu arbeiten. Das sind meistens kleine Familienbetriebe. Leute, die einen familiären Bezug und dadurch Kontakt zu diesen Ländern haben. Somit sind die Importeure kleine Unternehmen, die aus genau einem Land, meistens von einer bestimmten lokalen Kooperative den Kaffee importieren. Wenn ich wiederum diesem Importeur vertraue und verstehe was der da macht, und das gut finde, und weiß, dass er den Leuten vor Ort einen fairen Anteil weitergibt, dann habe ich die Transparenz. Bis zum Baum, wenn man so will. Das macht direct-trade unter anderem aus.

 

Im Gegensatz zu Großhändlern wie Tchibo, die so gesehen auch direct-trade betreiben, zahlen wir den Kaffeebauern vor Ort aber deutlich mehr als den Börsenpreis.

Kaffee von der Wehringer Rösterei Bohnenschmiede. Foto: Annika Müller

"Letzten Herbst war der Börsenpreis für Kaffee so etwa bei zwei Dollar pro Kilo. Die Größenordnung, die wir bezahlen, lag letzten Herbst bei circa fünf bis sechs Euro das Kilo. Davon können die Kaffeebauern viel besser leben."

Stefan Steidle, Kaffeeröster

Im Gegenzug können wir Qualitätswünsche äußern. Also beispielsweise, dass die Kaffeebauern biologisch arbeiten und auf den Schutz der Mitarbeiter achten. Somit ist das ein Geben und Nehmen.

Durch das zusätzliche Geld können sich die Leute vor Ort Bildung leisten. Durch Bildung versteht man erst im Detail, wie Landwirtschaft funktioniert. Und kann nachhaltig handeln, wie zum Beispiel unsere Partner in Peru. Als sie vor zehn Jahren mit dem Kaffeeanbau angefangen haben, lieferten sie Standardqualität. Heute sind sie CO2-neutral und bauen Top-Qualität an – auch auf internationalen Bewertungsskalen. Darauf sind sie natürlich stolz. Zum Ausgleich für ihren großen CO2-Footprint beim Kaffeeanbau haben diese Kaffeebauern in Peru steile Hänge gekauft, mit denen man heute nicht viel anfangen kann. Sie haben dort Bäume gepflanzt, die sehr viel CO2 speichern. Dieser Wald wird immer größer, kann somit immer mehr CO2 speichern. Kurzfristigsorgt dieser Wald dafür, dass ihr Unternehmen CO2-neutral ist und langfristig ist das ihre Rente: Wenn sie einmal keinen Kaffee mehr anbauen, leben sie von dem CO2-Handel.

 

Ihr seid inzwischen ein klimaneutrales Unternehmen. Welche Tipps würdest du anderen Unternehmer*innen mit auf diesen Weg geben?

Für mich beginnt das tatsächlich bei der Analyse. Jedes Unternehmen ist anders und hat andere Produkte, und dementsprechend einen anderen Footprint. Man unterscheidet zwischen dem Footprint des Unternehmens an sich, also unserer Bohnenschmiede hier in Wehringen, und dem Footprint des einzelnen Produkts, also bei uns vom Kaffeeanbau und -transport bis zur Verpackung des gerösteten Kaffees. Da war für uns die große Erkenntnis, so viel Einsparpotential haben wir hier vor Ort gar nicht. Unsere Zertifizierung bezieht sich auf das Jahr 2019, da hatten wir in Summe ein 127 Tonnen CO2. Davon hatte das Unternehmen hier in Wehringen keine 10 Tonnen. Der Rest war nur der Kaffeeanbau. Der Wasserverbrauch, Pestizide und Dünger sind im Allgemeinen das, was am meisten CO2 im Kaffeeanbau verursacht. Je nachhaltiger die Kooperativen dabei arbeiten, und ich das auch nachvollziehen und belegen kann, desto mehr darf ich dann von meiner CO2-Footprint-Rechnung abziehen. Somit hilft es uns, noch mehr über unseren eigenen Kaffee zu erfahren.

 

Wann hast du zuletzt etwas Neues ausprobiert und was war das?

Gestern haben wir einen neuen Kaffee aus Bolivien geröstet. Von dort hatten wir noch nie Kaffee, also mal wieder ein neues Land. Unabhängig von den Herkunftsländern, probiere ich auch gerne eine neue Zubereitungsart aus. Verändere etwas daran oder versuche, das nochmal zu verfeinern. Daher kommt auch unser Spruch: Auf der Suche nach der Seele des Kaffees.

 

Und was kochst du sonst gern, außer Kaffee?

Ich grille gerne, das gebe ich zu (lacht). Das kommt aber aus regionalen Höfen, wenn es um Fleisch geht. Und das Gemüse genauso. Wir kaufen das alles bei kleinen Bioläden. Das ist zum Glück gerade ein Trend, dass sich auf dem Dorf überall kleine „Tante-Emma-Läden“ etablieren, die von regionalen Höfen beziehen. Fleisch hole ich vom Biolandhof in Schwabeck, das ist hier ein paar Dörfer weiter. Gemüse kommt auch aus der Ecke, vom Pfänderhof. Mir geht Regionalität über Bio. Wenn ich hier im Supermarkt Bioprodukte sehe, und das kommt dann aus China oder Chile, über die halbe Welt, was ist daran besser?

 

Wofür würdest du gerne mehr Zeit haben?

Einerseits natürlich für die Kids. Das muss man fairerweise sagen, sowas kommt manchmal zu kurz. Manchmal wäre es auch nicht schlecht, wenn ich für mich selbst mehr Zeit hätte (lacht). Klar werde ich auch gefragt, wie das funktioniert: Ein Vollzeit-Beruf und Kaffee rösten nebenzu. Aber wenn ich in der Rösterei bin, ist das für mich keine Arbeit, sondern reiner Spaß. Ich mache das gerne. Dennoch ist es zeitaufwändig (lacht). Das kann man nicht verleugnen.

 

Was ist dein Lieblingsplatz in Augsburg und Umgebung?

Der Weg von Burgwalden bis nach Augsburg rein. Dieser Waldweg ist ein schöner Ausgleich, wenn man überlegt, man ist direkt neben einer Großstadt. Andere würden hierher in den Urlaub fahren. Man schätzt das manchmal gar nicht so, was man vor der Haustür hat.

 

Wenn du Bürgermeister von Augsburg wärst, was würdest du dann ändern?

Ich würde mir mehr Gedanken über das Verkehrskonzept machen. Wie komme ich nachhaltig von A nach B?

Stefan Steidle, Kaffeeröster

Max war vor kurzem mit dem Bus in Augsburg – das sind von Wehringen aus keine 15 Kilometer und kostet hin und zurück 16 Euro. Da hört es doch auf (lacht). Nachhaltigkeit und Klimaschutz muss ja irgendwo im Alltag ankommen.

 

Was bedeutet nachhaltig leben für dich persönlich?

Für mich ist das Thema bewusstes Konsumieren am wichtigsten. Das ist mir fast noch wichtiger als der Begriff Nachhaltigkeit.

"Wir sollten uns beim Einkaufen überlegen, wie das funktionieren kann, wenn ein günstiger Kaffee im Discounter fünf oder sechs Euro das Kilo kostet. Der Kaffee kostet schon grob zwei Euro das Kilo an der Börse, zwei Euro und neunzehn Cent sind Kaffeesteuer, dann kommt noch die Mehrwertsteuer dazu. Also da kann nichts mehr übrigbleiben für die Kaffeebauern."

Stefan Steidle

Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller

Wenn man sich dessen bewusst ist, faire Produktion unterstützt und bei kleineren oder auch größeren Anbietern einkauft die diese Werte vertreten, ist schon viel passiert. Ob das jetzt Kaffee oder andere Produkte sind. Bei Kaffee haben wir halt den Fakt, dass Kaffee zwangsläufig von weit her aus dem Ausland kommt, weil er hier nicht wächst. Aber wir können versuchen, auch dort Einfluss zu nehmen, durch die Art wie wir konsumieren. Wenn man sich Gedanken darüber macht, ist dies meines Erachtens der so wichtige erste Schritt.

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Max Schmid und Stefan Steidle von der Kafferösterei Bohnenschmiede. Foto: Annika Müller
Max Schmid und Stefan Steidle von der Kafferösterei Bohnenschmiede. Foto: Annika Müller
Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
"Immer auf der Suche nach der Seele des Kaffees" ist das Motto der Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
"Immer auf der Suche nach der Seele des Kaffees" ist das Motto der Kaffeerösterei Bohnenschmiede in Wehringen bei Augsburg. Foto: Annika Müller
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