Mobilität

Eine Weltreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Das Flugzeug ist keine Option mehr für Leo Sibeth und Sebastian Ohlert
Weltreise, einszweifrei, Augsburg, öffentliche Verkehrsmittel, Sebastian Ohlert, Foto: Leonore Sibeth, Asien, Zug

Die Wahl-Augsburger haben 31.150 Kilometer auf Straßen oder Schienen zurückgelegt. Sie sind seit 11 Monaten unterwegs und sagen: Ja, das Reisen über Land funktioniert! Sehr gut sogar! Schneller als gedacht, netter als erwartet und bisher haben wir uns immer sicher gefühlt. Das Flugzeug ist keine Option mehr für Leo und ihren Partner Sebastian Ohlert.

Nachhaltig die Welt bereisen? Ja, das geht!

Seit über elf Monaten reisen wir bereits nach und durch Asien, immer auf dem Landweg. Wir starteten diese Reise mit vielen Fragen: Lässt sich immer ein Transport finden? Wie lange wird es dauern, von A nach B zu kommen? Was kostet es? Und was ist mit der Sicherheit? Bald schon merkten wir, ja, das Reisen über Land funktioniert! Schneller als gedacht, netter als erwartet und sicher haben wir uns bislang auch immer gefühlt. Ein erstes Zwischenfazit zogen wir bereits nach zweimonatiger Reise für den Lifeguide. Nach mittlerweile 11 Monaten on the road sind wir durch Länder gekommen, die leichter zu bereisen sind und durch andere, in denen das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln komplizierter und anstrengender ist. Im Iran freuten wir uns über ein hervorragendes Netz komfortabler Überlandbusse sowie über gute und schnelle Zugverbindungen. In Tadschikistan hingegen war daran nicht mehr zu denken – Einzig Jeeps, vollgestopft bis unter die Decke, fuhren auf holprigen Straßen die größeren Ortschaften des Pamir-Gebirges an.

Die Wahrnehmung von Zeit und Distanz verändert sich

Was mittlerweile normal geworden ist beim Reisen über Land: es dauert! Sechs Stunden im Zug durch Deutschland? Da sind wir von Augsburg nach Hamburg oder Berlin gefahren und haben das Land bereits fast zur Gänze durchquert. Sechs Stunden in einem indischen Zug? Eine entspannte Halbtagesfahrt, da müssen wir noch nicht mal den Nachtzug nehmen. Unsere Wahrnehmung von Zeit und Distanzen hat sich im Laufe unserer Reise und mit den örtlichen Gegebenheiten verändert. Erst letztens, da fuhren wir mit einem indischen Nachtzug von Hampi nach Hyderabad. 530 Kilometer, für die der Zug 11 ½ Stunden brauchte. Wir hatten uns für die Kategorie „AC 3“ entschieden, bei der sich sechs Personen ihr Abteil teilen, wie bei den alten Schlafwagen der Deutschen Bahn. Mit dem Unterschied, dass es sich um keine geschlossenen Abteile handelt, sondern sie zum Gang hin offen sind und sich seitlich nur durch Trennwände von den nächsten Abteilen abgrenzen.

Im Zug oder Bus gibt es kein Entrinnen

Mit uns im Abteil war Bharti, 39 Jahre alt, auf dem Weg zurück nach Hause. Sie freute sich so, endlich weibliche Verstärkung in unserem männerdominierten Sechserabteil zu bekommen, dass sie sich zu uns aufs Bett setzte. Der Zug ratterte durch die anbrechende indische Nacht und wir hatten viel Zeit, uns nett zu unterhalten. Bharti erzählte von einem aufregenden Spaziergang durch den indischen Dschungel und ich konnte spüren, dass das Adrenalin noch durch ihre Adern pulsierte, so aufgeregt war sie immer noch. Neben der Story bekam ich viele interessante Fotos von ihrem Abenteuer zu sehen. Doch die Schlafenszeit rückte immer näher und ich konnte trotz spannender Unterhaltung ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Am nächsten Morgen um 5 Uhr verabschiedete Bharti sich von mir, sie stieg aus. Glücklicherweise hatten wir am Abend vorher bereits Nummern ausgetauscht. Angekommen in unserer Unterkunft in Hyderabad bekam ich eine Nachricht von Bharti. Sie lud uns zu sich nach Hause zum Essen ein, Mann und Sohn wären ebenfalls da. Am Tag unserer Abreise trafen wir sie und verbrachten gemeinsam einen tollen Nachmittag. Bharti hatte sich viele Gedanken gemacht, was die zwei Ausländer wohl gerne essen würden und so gab es Pasta ohne eine einzige Chilischote, sogar auf Chiliflocken hatte sie verzichtet! Wir waren gerührt. Bharti und ihr Mann brachten uns nachmittags zum Bahnhof, denn mit einem weiteren Nachtzug setzten wir unsere Reise von Hyderabad in Richtung der indischen Ostküste fort. Dort im Zug saß keine Bharti und so gab es genügend Zeit, diese nette Begegnung noch einmal Revue passieren zu lassen. Sebastian und ich sind uns mittlerweile einig, dass wir viele tolle Begegnungen nur machen, da wir mit den Menschen gemeinsam für Stunden zusammen im Zug oder Bus sitzen.

Auch in der Stadt treffen wir nette Menschen und kommen mit ihnen ins Gespräch. Aber meist muss bald wieder einer los und das Gespräch ist damit beendet. Im Zug oder Bus gibt es kein Entrinnen. Und bei den langen Fahrtzeiten ist es möglich, das Gespräch für ein Schläfchen zu unterbrechen und später wiederaufzunehmen.

Walnüsse von Mashroof und Chinesisch lernen mit Nian

Wir erinnern uns an viele solcher netten Gegebenheiten: Zum Beispiel Mr. und Mrs. Basu, die uns im Zug durch Indiens Norden mit ihrem leckeren selbstgekochten Mittagessen verköstigten, obwohl wir selbst eine ganze Tüte Proviant dabeihatten. Oder Nian, der tolle chinesische Junge, der mit seinem Vater und Opa die gleiche Strecke wie wir im Zug reiste, und mit dem wir ein lustiges Sprachenlernspiel spielten, bei dem er das Wort auf Chinesisch sagte und wir auf Englisch. Der jeweils andere musste das ihm fremde Wort wiederholen. Dann war da noch Mashroof, der Fahrer eines „Shared Taxis“ in Pakistan, der uns bat, kurz zu warten und in dieser Zeit eine riesige Tüte Walnüsse für uns als Geschenk holte. Oder die netten Mitfahrer im bis unter die Decke vollgestopften chinesischen Zug.

Wir fanden keine gemeinsame Sprache, aber sie probierten unsere Salzstangen und wir im Gegenzug ihre sonderbaren chinesischen Snacks. Obwohl wir uns verbal nicht verständigen konnten, war es eine Zugfahrt geprägt von Lachen und angenehmer Stimmung.

Auf 2 ½ Sitzen durchs Gebirge

Und im Pamir-Gebirge in Tadschikistan? Haben wir uns dort für die Jeeps auf holprigen Straßen entschieden? Nein. Hier hatten wir Glück und fanden in einem anderen Reisenden und seinem Toyota-Van eine Mitfahrgelegenheit. Mit Thomas aus Liechtenstein fuhren wir vier Wochen lang durch den Pamir, teilten uns von morgens bis abends die enge Führerkabine seines 2 ½-Sitzers und schlossen täglich Kompromisse. Ins Bartang Valley? Oder doch auf der Hauptpiste bleiben? Dafür wurden wir mit der Freiheit belohnt, überall am Wegesrand Stopps einlegen zu können, denn das ist das Einzige, was beim Überland-Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln manchmal auf der Strecke bleibt: Der Busfahrer folgt einem Fahrplan und das System bräche zusammen, wenn wir an den vielen Plätzen halten würden, die für die unterschiedlichen Fahrgäste interessant sind. So passiert es uns manchmal, dass wir gerne stoppen würden, es aber nicht können, da der Bus, Zug oder das “Shared Taxi“ einfach weiterfährt. Das ging uns auf dem Pamir Highway zum Glück anders und von dieser Freiheit machten wir regen Gebrauch.

 

Weshalb also nicht mit eigenem Fahrzeug reisen?

Für uns kommt das Reisen mit eigenem Fahrzeug trotzdem nicht in Frage. Bei unserer Mitfahrgelegenheit im Pamir-Gebirge mussten wir immer mal wieder Zwangspausen aufgrund von Reifenpannen oder kleineren Reparaturen einlegen und fuhren in Usbekistan lange Umwege, um irgendwo Diesel aufzutreiben. Für jede Übernachtung oder jeden Tagesausflug ohne Auto muss ein sicherer Platz für das Fahrzeug gefunden werden. Und der Anschaffungspreis bereits vor Reisebeginn ist höher, als wir bislang für unsere ganze Reise zu zweit ausgegeben haben. Neben diesen Überlegungen zu Praktikabilität, Kosten und Zeitersparnis ist uns auch wichtig, mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck unterwegs zu sein. Denn natürlich ist unser anteilsmäßiger Spritverbrauch in einem öffentlichen Bus, den wir uns mit vielen anderen Menschen teilen, im Vergleich zum eigenen Fahrzeug wesentlich geringer.   Statt mit einem vollgepackten Auto, sind wir daher mit je zwei Rucksäcken – einem großen und einem kleinen – flexibel unterwegs und können unsere Verkehrsmittel für jede Strecke neu auswählen. Wir reisen mit kleinem Gepäck und müssen uns deshalb um viel weniger kümmern als um ein Auto samt Inhalt. Vor allem aber dürfen wir während der Fahrt entspannt aus dem Fenster schauen, anstatt uns fahrend durch den Innenstadtverkehr Mumbais zu quälen oder im Slalom reifengroßen Schlaglöchern auszuweichen.

Das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B funktioniert also meistens gut. In elf Monaten passierte es nur ein, zweimal, dass wir uns auf einen Bus verlassen hatten und er überraschend dann doch nicht fuhr. Wir mussten umdisponieren. Aber andererseits – auch Flüge können ohne Vorankündigung gestrichen werden. Anfangs dachten wir noch, wenn es mit dem Reisen über Land so gar nicht geht, dann fliegen wir zur Not eben. Nach mittlerweile 31.150 Kilometern auf Straße und Schienen wissen wir: Es geht hervorragend mit dem Reisen über Land. Das Flugzeug ist keine Option mehr für uns.

Wir wollen es nicht mehr missen, immer von einem Land ins nächste zu reisen, die Landesgrenzen zu passieren, uns auf neue Währungen und neue Sprachen einzustellen.

Es würde sich nicht gut anfühlen, ins Flugzeug zu steigen und wenige Stunden später in Hongkong zu landen. Nein, wir reisen langsam, bewusst und mit Spaß. Und das ist für diese Reise genau das Richtige für uns!

Leo Sibeth und Sebastian Ohlert reisen seit März 2017 nach und durch Asien. Anfangs wollten sie für ein Jahr unterwegs sein, mittlerweile haben sie entschieden, länger zu reisen. Sie verzichten bewusst aufs Flugzeug und reisen über Land mit Zug, Bus, per Anhalter und was sonst noch so fährt. Auf ihrem Blog www.eins2frei.com berichten sie über ihre Begegnungen und Abenteuer. Unter „Route“ lassen sich die von ihnen bereisten Länder nachvollziehen. Blog: www.eins2frei.com Facebook: www.facebook.com/eins2frei Instagram: www.instagram.com/eins2frei

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Nach 11 Monaten Reise und 31.150 Kilometern auf Straße und Schienen sagen Leonore Sibeth und Sebastain Ohlert: Ja, das Reisen über Land funktioniert sehr gut! Foto: Sebastian Ohlert
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Nach 11 Monaten Reise und 31.150 Kilometern auf Straße und Schienen sagen Leonore Sibeth und Sebastain Ohlert: Ja, das Reisen über Land funktioniert sehr gut! Foto: Leonore Sibeth
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Nach 11 Monaten Reise und 31.150 Kilometern auf Straße und Schienen sagen Leonore Sibeth und Sebastain Ohlert: Ja, das Reisen über Land funktioniert sehr gut! Foto: Leonore Sibeth
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Wer mit dem Auto in entlegenen Regionen unterwegs ist, muss oft Tankstellen suchen und seine Tankfüllungen gut planen. Foto: Sebastian Ohlert und Leonore Sibeth
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Foto: Sebastian Ohlert ud Leonore Sibeth
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Per Mitfahrgelegenheit durchs Pamirgebirge. Foto: Sebastian Ohlert und Leonore Sibeth
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Nach 11 Monaten Reise und 31.150 Kilometern auf Straße und Schienen sagen Leonore Sibeth und Sebastain Ohlert: Ja, das Reisen über Land funktioniert sehr gut! Foto: Leonore Sibeth
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Im Zug lernt man tolle Menschen kennen. Leo Sibeth und Bharti aus Indien. Foto: Sebastian Ohlert
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Übernachten im Zug. Foto: Sebastian Ohlert
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Warten auf eine Mitfahrgelegenheit. Foto: Sebastian Ohlert
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