Wege zur Fahrradstadt

Die Stadt Augsburg verfolgt das Ziel "Fahrradstadt 2020". Warum hat das Fahrrad Vorteile gegenüber dem Auto und was kann jede*r für eine neue Lebensqualität in der Stadt tun?
Dominik Günter fasst die Kernthesen des Geographen, Stadtplaners und Verkehrsexperten Professor Heiner Monheim von der Universität Trier zusammen.
Anfang des 20. Jahrhunderts: das Fahrrad bietet nur Vorteile
Das Fahrrad schaut auf eine 200jährige Geschichte zurück. Anfangs war es schneller und bequemer als zu Fuß oder mit dem Pferd, es war klein, leicht, ungefährlich und leicht bedienbar. Zu Beginn noch teuer und deswegen der Oberschicht vorbehalten, wurde das Fahrrad mit der Massenproduktion schon bald massentauglich. Im frühen 20. Jahrhundert war es ein allgegenwärtiger, angesagter Trendsetter. Und wurde als Geschäftsvehikel, Ausflugsfahrzeug, Sportgerät und Werbemittel benutzt. Auch die Straßen, Wege und Plätze waren noch an das gemächliche Tempo des Fahrrads angepasst.
Das Auto verdrängt das Fahrrad
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Städte neu aufgeteilt. Damit die Stadtbewohner*innen nicht mehr Seite an Seite mit der Industrie hausen mussten, wurde eine funktionale Trennung von Wohn- und Arbeitsort vorgenommen. Dadurch mussten jedoch auch größere Entfernungen zurückgelegt werden. Mit dem Auto konnten sie schnell und bequem überwunden werden. Die Städte wurden nun also autogerecht angepasst. Die Geschwindigkeiten stiegen, der Verkehr wurde durch Ampeln, Fahrradstreifen und Einbahnstraßen stärker reglementiert, was eine Abnahme des Radverkehrsanteils zur Folge hatte.
"Das Auto wurde zum Statussymbol, das Fahrrad wurde gesellschaftlich zum Kinderspielzeug, Freizeitmittel oder Verkehrsmittel für Arme degradiert." Professor Heiner Monheim, Stadtplaner.
Dadurch, dass das Auto höchste Priorität genoss und immer noch genießt, wurde immer mehr Platz für dieses Verkehrsmittel geschaffen und Probleme wie Unfälle, Lärm, Abgase oder Staus billigend in Kauf genommen. Es ging sogar soweit, dass der ADAC forderte, Gehwege zugunsten von Parkraum zu halbieren und Radwege und Straßenbahnen abzuschaffen, um den Autoverkehr nicht zu behindern.
"Die Straße ist vom Gemeinschaftsraum zu einem Gefahrenraum geworden." Professor Heiner Monheim, Verkehrsexperte.
160 Milionen leere Autositze fahren täglich durch Deutschland
Knapp 50 Millionen PKW gibt es heute in Deutschland. Jeder dieser PKWs braucht Parkplätze am Wohnort, am Arbeitsplatz, vor dem Supermarkt, vor der Schule, der Kita, dem Fitnesscenter, dem Kino und, und, und... Zusammen belegen 160 Millionen Stellplätze riesige öffentliche Flächen. Da die PKWs zudem selten voll besetzt sind, verkehren täglich 160 Millionen leere Autositze auf unseren Straßen, die dann täglich Staus von über 3.000 km produzieren. Auch die Lebensqualität der Menschen leidet durch Bewegungsmangel, Lärm und Schadstoffe. Stadtbewohner*innen, die an stark befahrenen Straßen leben, haben weniger Freund*innen und sterben früher als Menschen in verkehrsberuhigten Bereichen.
Wie können wir das Fahrrad stärken?
Aus all diesen Gründen braucht es eine Renaissance des Fahrrads. Dafür ist das Leitbild die „Stadt der kurzen Wege“ mit mehr Fußgängerzonen, Fahrradwegen, ÖPNV und einer Verkehrsberuhigung ein wichtiger Baustein. Auf die Bedürfnisse der Fahrradfahrer*innen kann durch Fahrraddemos, Flash Mobs und einer wachsenden Lobby aufmerksam gemacht werden. Denn das Rad ist eben weit mehr als Sportgerät oder Kinderspielzeug. Gerade Lastenräder oder Pedelecs können von den unterschiedlichsten Menschen vielfältig genutzt werden: Das Fahrrad ist so auch eine echte Alternative für Rentner*innen, für den Wocheneinkauf, Kindertransport, regionalen Berufsverkehr oder sogar für ganze Umzüge. Die Niederlande können fahrradpolitisch als Vorbild angesehen werden. Denn Fahrradförderung ist mehr als die Markierung von Radwegen. Es braucht ein völlig neues Denken auf der systemischen Ebene.
"Das Fahrrad soll wieder stärker ins Zentrum städtischer Mobilität rücken." Professor Heiner Monheim, Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Praxis.
Drei Wege führen zu diesem Ziel: Im Gesamtverkehrsplan sollte mehr Geld für Fahrräder eingeplant werden. Außerdem sollten in der gesamten Bundesrepublik Radschnellwege entstehen. Ein Netz von Fahrradstraßen, die besonderen Rechte haben. Letzter und besonders wichtiger Punkt: In der Stadt muss das Fahrrad das beste Fortbewegungsmittel werden. Dies kann durch Drosselung des Verkehrstempos in der Stadt, Öffnung der Einbahnstraßen für den Radverkehr und die Umwandlung von Parkplätzen in reine Fahrradparkflächen ereicht werden.
Die einfachste Möglichkeit das Fahrrad zu stärken ist, es selbst häufiger zu verwenden. So kann jeder einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten, etwas für die eigene Gesundheit tun und unsere Städte wieder lebenswerter machen. Also steigen wir auf und radeln wir los!
Mehr interssante Beiträge rund ums Thema Fahrrad im Lifeguide:
- Hier können die lesen, warum der Schwabmünchner Albert Schmid seit 4 Jahren ohne Auto lebt.
- Von ganzen 15 Jahren ohne Auto berichtet Sven Külpmann in einem Interview mit dem Lifeguide.
- Was Sie beachten sollten, wenn Sie jetzt Lust haben, das Rad aus dem Keller zu holen und loszufahren, können Sie in den Artikel „Fit für den Frühling - der Radl-Check“ nachlesen.
- Transition Town Augsburg lädt regelmäßig zu Fahrraddemos oder Flashmobs ein.