Gärtnern

Ein Leben wie ein CityFarm-Huhn

Natur erleben mitten in der Stadt: die CityFarm Augsburg

Mitmachen, Anfassen, Natur erleben – die CityFarm Augsburg ist ein offener, ökologischer Garten mitten in der Stadt, den die Geographin  Ildikó Reményi und der Lehrer Benjamin Vogt 2012 gegründet haben. In der vielfältigen, bunten und gastfreundlichen Atmosphäre gedeihen seither nicht nur seltene und altbekannte Nutzpflanzen und Hühner, Kaninchen oder Bienen. Hier entstehen auch Freundschaften, Interessengemeinschaften bilden sich, Wissen über Natur und Lust an der Natur werden weitergegeben.

Vor allem Kinder und Jugendliche erleben in der CityFarm die Natur mit allen Sinnen. „Kinder haben ein großes Defizit. Wenn Du im Kindergarten fragst: Wo kommt das Ei her, herrscht erst einmal absolute Stille“, berichtet Ildi, wie Ildikó Reményi von allen genannt wird. Für Erwachsene und Kinder bieten Ildi und Benni regelmäßig Erlebnisführungen, Workshops und Mitmach-Aktionen an. Sie geben ihr Wissen gern weiter: über seltene Pflanzen, Mischkulturen, artgerechte Tierhaltung, Saatgutvermehrung oder altbewährte Konservierungsmethoden.

Die Idee, in Augsburg eine CityFarm zu gründen, entstand auf der entlegenen Waldbergalm im Zillertal. „Wir lebten einen Monat lang mit einem alten Milchbauern zusammen, haben das Jungvieh betreut, mit der Sense Heu gemacht und Wasser aus dem Quellbach getrunken. Wir waren von allem abgeschnitten. Das war ein Gefühl, als ob du dich in einem Zeitloch befindest“, erzählt Benni. Dieses Leben im Einklang mit der Natur und diese Zeitgefühl nehmen Ildi und Benni mit nach Augsburg. Zusätzlich inspiriert von dem Buch „Meine kleine Cityfarm“ von Novella Carpenter, verfestigt sich der Plan, einen Stadtgarten mit Tierhaltung in Augsburg zu realisieren.

Ildi ist auf einem Bauernhof in Sachsen Anhalt aufgewachsen. „Wir hatten Schafe, eine riesige Obstwiese und Pferde. Im Sommer sind wir von der Schule nach Hause gerannt, haben das Heu gewendet und danach ging‘s ins Freibad. Selbstversorgung war völlig normal. Wir Kinder haben immer mitgeholfen. Damals haben wir die Arbeit natürlich verflucht, aber im Nachhinein war das eine tolle Zeit. Wir sind im Freien aufgewachsen.“ Nach einer Ausbildung zur Bauzeichnerin zieht es Ildi wieder in die Natur. Sie lebt auf einem Reiterhof in Mecklenburg und trainiert intensiv mit einem alten, einäugigen Hengst. Das lahme Pferd wird wieder fit. „Das war ein Schlüsselerlebnis – dieses positive Band zwischen Mensch und Tier, das dabei entstanden ist“, berichtet sie.

Für Ildi und Ben ist die artgerechte Tierhaltung ein wichtiges Anliegen. Ihr Hühner und Kaninchen haben ungeheuer viel Platz, die Bienen dürfen ihren Honig behalten.  Die Hühnerküken laufen aberwitzig schnell durch den Garten. Benni schnappt sich ein „Pieperle“ und streichelt es: „Durch die Geburt sind wir unterschiedlich viel wert – für ein Huhn ist es doch ein riesiger Unterschied, ob es in einer Legebatterie geboren wird oder hier auf der CityFarm. Ich stelle mir das immer so vor: Ich habe mir selbst ein Leben als CityFarm-Huhn ausgesucht!“ Er lacht und lässt das „Pieperle“ wieder laufen.

Benjamin Vogt: Der kreative Schaffens- und Schöpfungsprozess wird heutzutage vernachlässigt. Wer versteht, warum er etwas macht, tut es mit einem Lächeln.

Benni ist in Augsburg geboren und in Krumbach aufgewachsen. An der Augsburger Universität lernt er Ildi kennen, seit 2014 sind sie verheiratet. Die Liebe zur Natur hat Benni von seinem Urgroßvater geerbt, einem Bauern. „Der kreative Schaffens- und Schöpfungsprozess wird heutzutage vernachlässigt. Hier auf der CityFarm sehe ich, wofür ich arbeite und zwar gern und leidenschaftlich. Wer versteht, warum er etwas macht, tut es mit einem Lächeln“, lautet das begeisterte Plädoyer für seine handwerkliche und gärtnerische Arbeit auf dem CityFarm-Gelände. Der Lehrer Benjamin Vogt liebt es aber auch, Führungen zu gestalten und sein Wissen weiterzugeben. Vor allem für das Thema Wasser, Augsburger Wasserwege und Wassertechnik kann er sich begeistern.

Ildis Spezialgebiet sind alte, in Vergessenheit geratene Nutzpflanzen, wie rote Gartenmelde, Boretsch, Baumspinat oder Lippischer Braunkohl. Sie erzählt, wie köstlich der Braunkohl schmeckt, dass er aber nicht für den industriellen Anbau geeignet ist. „Die Pflanzen wachsen nicht gleichmäßig – die eine wird nur 1,50 Meter groß, die andere fast drei Meter.“ Damit passt der Lippische Braunkohl perfekt zur CityFarm-Philosophie: Hier leben Mensch und Natur im Einklang und selbst der Kohl wird er nicht reglementiert und kann ungenormt wachsen und einfach nur lecker sein.

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